Deutschland-Chef Linus Glaser 27.02.2018, 06:13 Uhr

Zalando: "Unser Fokus liegt auf App und Mobile"

Warum investiert Zalando so massiv in Personalisierung? Wie shoppt die Generation Z? Und wie läuft es mit der Anbindung stationärer Händler? Darüber spricht Zalandos DACH-Chef Linus Glaser auf der TrendArena der Internet World Expo - und vorab mit uns im Interview.
Linus Glaser ist Country-Manager DACH bei Zalando
(Quelle: Zalando)
Vor kurzem hat Zalando angekündigt, massiv in Personalisierung zu investieren. Was genau planen Sie da?
Linus Glaser:
Als Europas größte Modeplattform haben wir unglaublich viel Auswahl. Derzeit sind es rund 250.000 unterschiedliche Artikel. Das schätzen die Kunden sehr, weil sie wissen, bei uns finden sie alles, was sie suchen. Unsere Aufgabe ist es, dieses große Sortiment für unsere Kunden noch stärker so aufzubereiten, dass das, was der Kunde davon zu sehen bekommt, für ihn auch wirklich relevant ist. Um diese Relevanz zu schaffen, setzen wir auf Personalisierung. "Zum einen nutzen wir explizit geäußerte Präferenzen, das kann zum Beispiel die Lieblingsmarke des Kunden sein. Zum anderen nutzen wir Informationen wie Kauf- und Surfverhalten, setzen hier also auf Algorithmen oder Machine Learning. All diese Informationen wollen wir nutzen, um Produkte und Inhalte so auszuspielen, dass die Relevanz für den Kunden erhöht wird. Und da machen wir auch schon eine ganze Menge.
Zum Beispiel?
Glaser: Jeder Zalando-Kunde sieht schon heute eine anderes Angebot, ganz gleich ob in der App oder im Browser. Wir arbeiten auch kontinuierlich an unseren Größenempfehlungen. Wenn Sie als Kundin auf die Seite gehen, und sich einen Schuh aussuchen, empfehlen wir Ihnen eine Größe, die nicht unbedingt die sein muss, die sie sonst immer haben. Wir nutzen Informationen anderer Kunden, haben aber auch eigene Fitting-Models, die die Schuhe anprobieren. Darauf basierend geben wir dann eine Größenempfehlung ab. Ein weiterer wichtiger Ansatz für uns, um Kunden persönlich zu erreichen, ist Inspiration. Dazu gehört zum Beispiel auch, ganze Outfits zu zeigen. Seit Dezember bieten wir eine Look Section auf unserer Seite. Da sehen Kunden Outfits, die zu einem großen Teil an Influencern geshootet wurden, in einem Real-Life-Setting. Das finden Kunden super, weil sie in einem klassischen Katalog nur sehr standardisierte Bilder bekommen. Und jetzt sehen sie Kombinationen, wie sie auch im richtigen Leben aussehen können.

Haben Sie sich das von Aboutyou abgeguckt? Die machen das mit den Influencern ja quasi von Beginn an?
Glaser: Ich glaube, es stellen sich derzeit sehr viele die Frage, wie sie Kunden inspirieren und ihre Sortimente auf einzelne Kundenbedürfnisse herunterbrechen können. Und natürlich gibt es Ansätze, die ähnliche Elemente enthalten. Personalisierung geht für uns aber wie beschrieben darüber hinaus. In den nächsten 12 bis 18 Monaten ist das eines unserer wichtigsten Projekte, an dem wir mit einem Team von 600 Kollegen arbeiten.

Sie haben gerade schon ein wenig über Ihre App-Strategie gesprochen. Da sind Sie in der Vergangenheit ja einen kleinen Schlingerkurs gefahren, haben eigenständige Apps wie "Fleek" gelauncht. Jetzt scheint sich alles wieder auf eine zentrale App zu konzentrieren. Warum?
Glaser: Wir haben sehr bewusst auf verschiedene Apps gesetzt, weil wir verschiedene Dinge ausprobieren wollten. Wir wollten schnell und agil sein und eigene Teams haben, die sich sehr gezielt nur mit einer Sache auseinandersetzen. Mit eigenen Apps haben Sie auch nicht die Problematik, dass das, was man baut, zum Kerngeschäft passen muss. Unser Ansatz war, die Apps als Test zu sehen, um zu lernen, wie Kunden ticken, was funktioniert und was nicht. Wenn so eine App eigenständig funktioniert - hervorragend. Wenn nicht, nehmen wir die Learnings  und integrieren sie in unsere bestehenden Angebote.

Was haben Sie denn gelernt?
Glaser: Unter anderem, dass eine starke Marke im Hintergrund, wie Zalando sie hat, sehr stark hilft, um Kunden von einem Angebot zu überzeugen. Wenn man eine neue App - und damit eine neue Marke aufbaut - muss man sehr viel in die Bekanntheit investieren, um Leute davon zu überzeugen, in der App zu kaufen.

Und welche Learnings gibt es beim App Design?
Glaser: Wir haben viel gelernt, wie die Generation Z eine App nutzt, wie man Influencer Communities managt und solche Dinge. Und das wird uns jetzt bei der Personalisierung wieder nutzen. Was wir schon sehen ist: Je jünger die Generation, desto unterschiedlicher das Medienverhalten. Das Thema TV spielt kaum eine Rolle mehr, dagegen ist die Bedeutung von Social Media, insbesondere Snapchat und Instagram, riesig. Wenn man in dieser Generation erfolgreich sein will, muss man sehr bewusst auf diese Kanäle gehen. Das ist mit ein Grund, warum wir immer intensiver mit Influencern zusammenarbeiten.

"Wir wollen nach wie vor ein Spotify für Mode sein"

Was wurde denn aus der Grundidee, ein Spotify für Mode zu bauen? Ist das noch das Ziel?
Glaser: Das ist immer noch aktuell. Spotify hat es geschafft, ein Angebot zu bauen, mit dem Kunden spielerisch Musik entdecken können, personalisierte Angebote bekommen und inspiriert werden. Und wir wollen für die Mode dasselbe. Das gilt nach wie vor.

Gerade geht die Meldung durch die Presse, dass Sie Ihre Plattform-Strategie erweitern und künftig nicht mehr nur Schuhe, sondern auch Mode von stationären Händlern verschicken lassen. Nach welchen Kriterien nehmen Sie Händler auf und wie erfolgt die Auftragsvergabe?
Glaser: Richtig, das bezieht sich auf unsere Kooperation mit Gaxsys. Über die Schnittstelle können insbesonders kleinere, stationäre Händler ihre Produkte über Zalando verkaufen - aber nur Artikel, die es bei uns auf der Plattform schon gibt. Konkret funktioniert das so: Zalando verkauft einen Schuh oder auch ein T-Shirt über den Zalando-Shop und die Bestellung wird über das gax-System an die teilnehmenden Händler weitergeleitet. Innerhalb eines drei Stunden-Zeitfensters kann ein Händler entscheiden, ob er diese Bestellung übernehmen will. Der erste, der sich meldet, bekommt den Auftrag und übernimmt dann auch den Versand und gegebenenfalls auch wieder die Retouren-Annahme des Artikels. 

Geben Sie den Auftrag nur weiter, wenn Sie das Produkt selbst nicht mehr verfügbar haben?
Glaser: Nein, das ist nicht der Fall. Der Händler kann auch dann die Ware verschicken, wenn Zalando theoretisch die Ware selbst verfügbar hätte.

Dürfen Sie Zahlen nennen?
Glaser: Aktuell arbeiten rund 100 Händler über Gaxsys mit uns zusammen. Und um mal eine Größenordnung zu nennen: Einzelne Händler verschicken bereits bis zu 300 Bestellungen pro Woche. Die Erfahrung zeigt, dass die Kombination von stationärem Geschäft und zusätzlichem Vertriebskanal online funktioniert. Wir hören zum Beispiel von einigen Händlern, dass sie in Zeiten, in denen die Frequenz im Laden nicht sehr hoch ist, Pakete an Zalando-Kunden verschicken und so ihre Auslastung steuern. Andere Händler haben berichtet, dass sie durch die Anbindung auch Randgrößen einkaufen können wie zum Beispiel Frauenschuhe in Größe 43. Wird der Schuh stationär nicht nachgefragt, kann der Händler ihn über Zalando verkaufen. Wenn eine Kundin aber danach fragt, ist ein Händler froh, wenn er die Größe da hat. Durch die Kombination Offline-Online haben Händler die Chance, ihr Sortiment zu vertiefen.
Ist es für Kunden ein Problem, dass sie gegebenenfalls zwei Pakete bekommen, wenn sie über Zalando einmal ein Produkt bestellen, dass von einem Gaxsys-Händler geliefert wird, und eines, das von Ihnen kommt?
Glaser: Im Fall von Gaxsys wickeln wir derzeit nur Single Orders ab. Damit ist also ausgeschlossen, dass der Kunde zwei Pakete erhält. Das ist eher bei unserem Partnerprogramm ein Thema und war einer der Gründe, warum wir im vergangenen Jahr ZFS gegründet haben - Zalando Fulfillment Services. Damit übernehmen wir auch das Fulfillment von Partnern, die über unsere Plattform verkaufen. Partner können so auf unsere Expertise und unser Netzwerk in der Logistik zugreifen, das ist zum Beispiel spannend, wenn sie internationalisieren wollen, hat aber auch ökonomische Vorteile. Und Kunden profitieren, weil sie nur ein Paket von uns bekommen und auch nur ein Paket retournieren müssen.

Ein Trend, über den aktuell überall gesprochen wird, ist Voice. Wie kann sich denn ein klassischerweise stark bildgeprägter Modeeinkauf durch Sprachsteuerung verändern?
Glaser: Wie Sie gerade richtig sagen, ist Mode ein sehr emotionales und bildgeprägtes Produkt. Von daher glaube ich, dass das Thema Sprachsteuerung zwar eine gewisse Relevanz haben wird, der Use Case für Voice in anderen Bereichen aber deutlich größer ist. Nichtsdestotrotz ist das eine Technologie mit disruptivem Potenzial und natürlich ein Thema, das wir im Auge behalten. Wir haben auch selber im letzten Jahr einen Chatbot für den Google Assistant gelauncht, einen Geschenkefinder. Wir haben ein dediziertes Team, das sich mit Distributed Commerce auseinandersetzt und sich auch solche Themen anschaut. Das ist ein spannender Bereich, in dem gerade viel passiert.

Sie haben die Service-Messlatte in der Logistik vor kurzem wieder ein Stückchen höher gehängt, indem Sie Retouren kostenlos auch wieder abholen. Wie verändert das das Einkaufsverhalten?
Glaser: Wir waren von Anfang an davon überzeugt, dass man Mode nur online verkaufen kann, wenn die Retoure so einfach und unkompliziert wie möglich ist. Das Zuhause ist die Umkleidekabine der Kunden, und unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden, die mehr retournieren, am Ende auch mehr kaufen. Da war der logische Schritt, die Retoure noch einfacher zu machen und sie abholen zu lassen. Wir haben dazu Piloten in verschiedenen Städten Europas durchgeführt und festgestellt, dass Kunden diesen Service extrem schätzen. Innerhalb von Zalando Plus nun auch deutschlandweit verfügbar.



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