Vom Pure Player zum Einzelhandel: Wenn Onliner sesshaft werden

Konservative Kräfte setzen sich durch

Ein Signal für den Markt sollte es sein, als die Online-Küchenmarke Kiveda Ende 2014 den 34 Jahre älteren stationären Wettbewerber Küchen Quelle übernahm. Die Potenziale aus dem Zusammenschluss der gut eingeführten Fachhandelskette mit dem innovativen, auf 3-D-Planung und Virtual Reality setzenden Start-up ­lagen auf der Hand: Für Kiveda bot sich die Perspektive ergänzender stationärer Showrooms und Beratungsmöglichkeiten, während Küchen Quelle zusätzliches ­Online-Know-how und technologische Kompetenz gut brauchen konnte.
Zunächst lief auch alles nach Plan und das Unternehmen kündigte die Eröffnung kleinformatiger, mit digitalen Features ausgestatteter Concept Stores an. Doch dann verabschiedeten sich die ehemaligen Kiveda-Chefs aus der Geschäftsführung des Unternehmens. Nach dem Rückzug des ­Investors Seven Ventures, der seit den ­Anfangstagen bei Kiveda engagiert war, übernahmen konservative Kräfte das Ruder. Von der Idee, dass ein gerade zwei Jahre ­altes Start-up durch die Übernahme eines etablierten Wettbewerbers zu einem Quantensprung ansetzt und innovative Technologie in den klassischen Einzelhandel bringt, ist seitdem nicht mehr viel übrig geblieben. Stattdessen fungiert Kiveda in der Selbstdarstellung des Unternehmens inzwischen nurmehr als Technologielieferant ­sowie als Online-Zweitmarke.

Der stationäre Mehrwert ist entscheidend

E-Commerce-Experte Jochen Krisch hat also durchaus recht, wenn er Online-Händler vor allzu optimistischen Stationärplänen warnt: "Einen schlechten Online-Händler werden auch stationäre Präsenzen nicht retten. Und ein guter wird es sich dreimal überlegen, ob er das Risiko eingeht." Letzten Endes ist bei der Eröffnung von Ladengeschäften entscheidend, ob es gelingt, dadurch klare Mehrwerte zum bestehenden Geschäftsmodell zu schaffen.
Während sich das technologisch hoch entwickelte Kiveda damit in der recht konventionellen Küchenbranche schwertut, gelingt das Mymuesli, Home24 und Mister Spex deutlich besser. Diese Händler nutzen die stationären Touchpoints, um ihren Kunden ein wertigeres Einkaufserlebnis zu bieten. Gleichzeitig zahlen die stationären Geschäfte auf die Reichweite und die Bekanntheit der Marke ein. Wie die diesbezügliche Entwicklung im Fall Amazon/Whole Foods aussehen wird, muss sich noch zeigen. Auch Max Wittrock von Mymuesli ist hier gespannt: "Das ist ein Case, bei dem alle Händler interessiert: Wie packen die das an? Was sind die nächsten ­Schritte? Welche neuen Technologien und Ideen wird es in den Läden geben? Wie stark wird Amazon Whole Foods nun prägen?"
Durch die Whole-Foods-Übernahme ist das Thema stationäre Expansion jedenfalls nicht mehr wegzudiskutieren. "Stationäre Händler sind mittlerweile so günstig zu haben, dass das auch in Deutschland nicht auszuschließen ist", meint dazu ­Jochen Krisch. Mister-Spex-Geschäftsführer Dirk Graber antwortet auf die Frage, ob sich sein Unternehmen die Übernahme eines stationären Wettbewerbers vorstellen könne, vielsagend: "Warum nicht?"
Und Mymuesli-Gründer Max Wittrock stellt den Trend der Onliner zum Offline-Handel in einen größeren Zusammenhang: "Ich war gerade in New York City und war echt erstaunt, wie viel da leer steht an Ladenflächen. Ergo sind Konzepte gefragt, die mit dem Kunden und der Zeit gehen. Ich glaube, viele Onliner sind gut im Innovieren und haben gute Ideen für neue Konzepte, die der stationäre Handel definitiv braucht."



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