Gastkommentar 25.05.2022, 09:00 Uhr

Warum organisierter Bewertungsbetrug ein Fall für das Strafrecht sein muss

Gefälschte Kundenbewertungen sind im E-Commerce ein ständiges Ärgenis. Dennoch bieten die derzeitigen Gesetze zu wenig Möglichkeiten, effektiv gegen diesen Betrug vorzugehen, meint Georg Ziegler, Leiter Betrugsverfolgung beim Reisebewertungsportal HolidayCheck.
(Quelle: Shutterstock/SewCream)
Ein Beitrag von Georg Ziegler, Leiter Betrugsverfolgung beim Reisebewertungsportal HolidayCheck
Wie zuverlässig ist der Versandhändler, wie kompetent der Internist und schmeckt das Essen im Hotel auf Mallorca wirklich so gut wie beworben? Keiner von uns kauft gerne die Katze im Sack, also vertrauen wir den Erfahrungen ehemaliger NutzerInnen. Positive Bewertungen kurbeln den Umsatz an und sind so für HändlerInnen bares Geld.
Läuft es aber einmal - meist aus gutem Grund - nicht ganz rund mit den eigenen Reviews und bleiben positive Bewertungen aus, greifen die einen oder anderen moralisch Flexiblen gerne zu gekauften Fake-Bewertungen von darauf spezialisierten Agenturen. Und das ist zumindest in Deutschland auch kein Problem: Der Verkauf von gefälschten Bewertungen ist zwar rechtswidrig, aber bleibt de facto für KäuferInnen und VerkäuferInnen gleichermaßen ohne spürbare Konsequenzen. Der Grund: die Einordnung des Tatbestands im Zivilrecht.

Massive Hindernisse

Dadurch werden nicht nur den Plattformen bei der Beweisführung und Klageerhebung massiv Steine in den Weg gelegt. Diese müssen nämlich selbst minutiös und unter Einsatz großer Ressourcen Beweise zusammentragen, damit es überhaupt zu einer Anklage kommen kann. Auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Umsetzung der Gerichtsurteile, die konsequent gegen die Agenturen erlassen werden, ist praktisch nicht vorhanden. Noch während der Beweissammlung und Anklageerhebung wird das rechtswidrige Geschäftsgebaren fortgesetzt.
Dabei bleibt den Agenturen zudem genügend Zeit, sich durch eine Umfirmierung, den Austausch der Geschäftsführung und die Verlagerung des Firmensitzes ins Ausland, einer Durchsetzung des drohenden Urteils zu entziehen. Aufgrund der zivilrechtlichen Verankerung ist es beinahe unmöglich, die nun im Ausland sitzenden Agenturen zu belangen. So sind den Plattformen auch im Falle eines Urteils zu ihren Gunsten die Hände gebunden und das Urteil mit Signalwirkung wird zum wirkungslosen Papiertiger degradiert.

Mehr Möglichkeiten im Strafrecht

Anders sähe es im Strafrecht aus. Hier würden Strafverfolgungsbehörden wie Staatsanwaltschaft und Justiz die Ermittlungen übernehmen und die Verfolgung der StraftäterInnen im Ausland würde durch länderübergreifende Amtshilfe erleichtert. Außerdem wäre es so möglich, die GeschäftsführerInnen im Rahmen einer Vorbestrafung persönlich zu belangen und zur Rechenschaft zu ziehen.
 
Georg Ziegler, Leiter Betrugsverfolgung HolidayCheck
Quelle: Unternehmen
Trotz des offensiven Betrugs an KonsumentInnen durch professionalisierte Fake-BewerterInnen und der augenscheinlichen Defizite des Zivilrechts sieht die Politik derzeit keinen Handlungsbedarf. Gerne wird hingegen auf die aktuelle Umsetzung der Omnibus-Richtlinie verwiesen, doch auch die geplanten Änderungen werden den betroffenen Portalen im Kampf gegen gewerbsmäßig organisierten Bewertungsbetrug nicht weiterhelfen. Hiermit wälzt die Politik die Verantwortung lediglich an die Plattformen ab, indem sie diese zu verstärkter Transparenz hinsichtlich der Prüfprozesse von Bewertungen verpflichtet.

Richtlinie bleibt zahnlos

Ein wirksames Instrument, um Fake-Agenturen - auch im Ausland - zur Rechenschaft zu ziehen, bietet auch die Richtlinie nicht. Portale, die sich bisher nicht mit der Validierung von Bewertungen befasst haben, mögen dadurch gezwungen sein, ihre Prüfsysteme zu optimieren oder sogar neue zu etablieren. Einige Plattformen unternehmen hingegen bereits große Anstrengungen bei der Prüfung von Bewertungen und im Vorgehen gegen Bewertungsfälscher. Das einzig tatsächlich wirksame Mittel ist die Einordnung des organisierten Bewertungsbetrugs in das Strafrecht - und somit auch der einzig logische Schritt, den digitalen Betrug an VerbraucherInnen dem Betrug in der analogen Welt gleichzustellen.



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