Neue Studie der DKV 16.08.2023, 08:27 Uhr

Die Deutschen leben wieder etwas gesünder, sitzen aber länger

Eine neue Studie zu den Themen Gesundheit und Bewegung zeigt: Die Deutschen sind überwiegend aktiv und fühlen sich gut. Sorgen bereiten jedoch die immer länger werdenden Sitzzeiten.
(Quelle: DKV)
Die Deutschen, so besagt die neueste Gesundheits- und Bewegungsstudie der Deutschen Krankenversicherung (DKV) und der Deutschen Sporthochschule Kön (DSHS), sitzen von Jahr zu Jahr immer länger. Der Durchschnittswert liegt mittlerweile bei 9,2 Stunden pro Tag. Damit hat sich die Sitzzeit im Vergleich zum Pandemiejahr 2021 noch einmal um eine halbe Stunde verlängert. Bei der Altergruppe 18 bis 29 Jahre beläuft sich diese sogar auf mehr als zehn Stunden. Im Vorfeld der Studie wurden fünf sogenannte Benchmarks definiert, die es zu erreichen gilt (oder zu vermeiden, je nach dem): körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden. Bedeutet: ausreichende Bewegung, ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Nikotin und Alkohol und guter Umgang mit Stress. Die Umfrage bei 2.800 Deutschen ab 18 Jahren ergab, dass nur 17 Prozent ein rundum gesundes Leben führen. Immerhin sind das sechs Prozentpunkte mehr als 2021, dennoch ist das Niveau natürlich ziemlich niedrig. Frauen kommen hier übrigens deutlich besser weg: 20 Prozent von ihnen schaffen diese Benchmarks. Wohingegen das nur jedem siebten Mann gelingt, also 14 Prozent unter den Teilnehmern.
 
NRW als Schlusslicht
Zwischen manchen Bundesländern zeigt sich hier eine relativ große Diskrepanz: Während die Einwohner von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Kriterien zu 21 Prozent erfüllen, gelingt das denen in NRW deutlich seltener (12 Prozent). „Die Ergebnisse des DKV-Reports zeigen deutlich: Die Deutschen lassen ihre Gesundheit sitzen. Nicht einmal jeder fünfte Deutsche erfüllt die Kriterien für ein gesundes Leben. Als Krankenversicherer sehen wir, welche Folgen ein ungesunder Lebensstil hat“, bilanziert Clemens Muth, Vorstandsvorsitzender der DKV, und er ergänzt: „Regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und ausreichend Regeneration sind neben Nichtrauchen und sozialen Kontakten die besten Zutaten für ein gesundes Leben.“ Ingo Froböse, Professor an der DSHS in Köln, gibt dem Ministerpräsidenten von NRW (Hendrik Wüst) die dringende Empfehlung, „endlich einmal dieses Thema auf die Agenda zu nehmen“ (Anm. d. Red.: Gesundheit und Bewegung). In der Hoffnung, „dass er uns gerade zuhört“. 
 
Sitzen ist „Feind der Gesundheit“
Besonders große Sorgen bereiten der DKV und der DSHS die Sitzzeiten der Deutschen. In den letzten sieben Jahren, so heißt es in der Studie,  habe sich die durchschnittliche Sitzzeit an Werktagen eines jeden Deutschen kontinuierlich gesteigert. Im Osten wird dabei weniger gesessen als im Westen. Spitzenreiter ist hier  Brandenburg mit „nur“ 8,4 Stunden pro Tag. NRW hält mit fast zehn Stunden werktäglicher Sitzzeit erneut den Negativrekord. „Das Sitzen ist der Feind der Gesundheit. Eine Verminderung der täglichen Sitzzeiten durch Bewegung reduziert das Sterberisiko erheblich“, betont Froböse. 
Mit Blick auf die Benchmark Stress zeigt sich: Mehr als die Hälfte der Menchen verfehlt das Ziel, damit gut und gesund umzugehen. 2023 gelingt dies noch 48 Prozent, 2021 waren das 40 Prozent. 28 Prozent empfinden die Stressbelastung als hoch beziehungsweise sehr hoch. Letzteres ist vor allem bei Frauen (32 Prozent) stark ausgeprägt und dies häufiger als bei Männern (25 Prozent). Besonders kritisch ist die Lage bei der Altersgruppe 30 bis 45 Jahre. In dieser Phase (O-Ton Froböse: „Rush Hour des Lebens“), so die Erkenntnis, in der Beruf, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen häufig aufeinanderträfen, bleibe wenig Zeit, um die Stressbelastung zu kompensieren. Deshalb sei es nicht überraschend, aber umso alarmierender: Nur 35 Prozent der 30- bis 45-Jährigen erreichten den Benchmark Stress (= bewältigen diesen gut nach eigenen Angaben) und nur zehn Prozent führten ein rundum gesundes Leben.
 
Die Deutschen fühlen sich mehrheitlich gut
Wiederum positiv: 62 Prozent der Umfrageteilnehmer fühlen sich grundsätzlich gut und sehen sich selbst bei über 50 Prozentpunkten (von 100).  Zusammengesetzt war dieser Studienteil aus folgenden Fragen: Sind Sie froh und guter Laune? Fühlen Sie sich entspannt und ruhig? Fühlen Sie sich energisch und aktiv? Fühlen Sie sich nach dem Aufwachen frisch und ausgeruht? Gibt es im Alltag viele Dinge, die Sie interessieren? Knapp zwei Drittel können diese also durchaus mit einem Ja beantworten. Dem entgegen steht ein Viertel, der ein eher nedriges subjektives Wohlbefinden hat (unter 50 Prozentpunkte). Ein Wert, der von Wissenschaftlern nicht nur als kritisch eingestuft wird, sondern auch als erster Hinweis für die Entwicklung einer Depression angesehen werden kann. Dass subjektives Wohlbefinden einhergeht mit ausreichend Bewegung, verdeutlicht diese Statistik: Wer sich besser fühlt, bewegt sich mehr. 75 Prozent der Menschen mit höherem Wohlbefinden (über 50 Prozentpunkte) zählen zu den Aktiven gegenüber 63 Prozent derer, die ein geringes Wohlbefinden (unter 50 Prozentpunkte) angeben. Zudem erreichen Personen in der Gruppe mit höherem Wohlbefinden (über 50 Prozentpunkte) auch häufiger die Empfehlungen für Muskeltraining (44 Prozent) sowie die kombinierte Bewegungsempfehlungen (42 Prozent, Muskel-  und Cardiotraining) als Personen mit geringem Wohlbefinden (unter 50 Prozentpunkte). Das sind dann nur 30 Prozent beziehungsweise 27 Prozent).
 
Die Vorgabe der WHO in Sachen Bewegung
Hierbei wichtig zu wissen: Körperlich aktive Menschen sollten pro Woche über 1.200 sogenannte MET-Minuten erreichen – so zumindest die Vorgabe der WHO. MET bedeutet ausgeschrieben „Metabolic Equivalent of Task“, zu Deutsch Metabolisches Äquivalent, und bezeichnet den Energieverbrauch bei verschiedenen körperlichen Aktivitäten. Spazierengehen hat beispielsweise einen MET-Wert von 3, Radfahren bei circa 18 km/h 6 und Joggen bei 8 km/h 8. Wer also jeden Tag 30 Minuten geht (210 Minuten x 3), viermal die Woche eine Stunde aufs Bike steigt (240 Minuten x 6)  und dreimal die Woche für eine Stunde läuft (180 Minuten x 8), käme auf etwas über 3.500 MET-Minuten. Das wäre demnach ein sehr aktiver Mensch. Zu den Inaktiven zählen Personen, die nicht über 600 MET-Minuten kommen. Als „Minimalisten“ werden die betrachtet, die zwischen 600 und 1.200 MET-Minuten liegen.
 
Bundesbürger wieder etwas aktiver
Nach Jahren der Stagnation bewegen sich die Deutschen erstmals ein wenig mehr: So zählen aktuell 72 Prozent (2021: 70 Prozent) der Bundesbürger zu den Aktiven, weitere 13 Prozent (2021: 11 Prozent) bewegen sich noch ausreichend. Der Anteil der Inaktiven sinkt auf derzeit 14 Prozent (2021: 19 Prozent). Im Bundesdurchschnitt erreichen damit 72 Prozent aller Befragten die ausdauerorientierte Benchmark Bewegung (also ohne Muskeltraining). Das bedeutet, dass diese sich mehr als 1.200 MET-Minuten pro Woche während der Arbeit, des Transports (Weg zur Arbeit) sowie in ihrer Freizeit bewegen. 40 Prozent aller Deutschen erfüllen die aktuellen Empfehlungen für muskelkräftigende Aktiviät von zweimal pro Woche. Weitere elf Prozent aller Befragten geben an, an mindestens einem Tag in der Woche die eigene Muskulatur zu trainieren. Allerdings gehen 49 Prozent gar keinem Muskeltraining nach. Die kombinierten Bewegungsempfehlungen von minimaler Ausdauer (über 600 MET-Minuten) und Muskeltraining erreichen laut Studie 38 Prozent der Bundesbürger.
Fazit von Ingo Froböse: „Wir brauchen dringend Bildungssysteme, die die Gesundheit mehr in den Mittelpunkt rücken. Und von den Arbeitgebern die Sensibilität, dass es eben nicht nur eine lästige Nebenaufgabe ist, für die Geundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen, sondern es muss gerade unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Veränderung die Hauptaufgabe sein, sich dort zu engagieren.“ Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen benötigten dabei jedoch Unterstützung, auch mit Hilfe von privaten und gesetzlichen Krankenkassen. „Wir müssen Maßnahmen der Prävention ergreifen, damit chronische Krankheiten nicht auftreten“, fordert Froböse. Die Verantwortungliege nicht ausschließlich bei jedem Einzelnen, sondern auch bei Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. 
 
 
 
 
 
 



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