Kennzeichnung werblicher Inhalte 13.07.2022, 12:00 Uhr

Influencer: Social-Media-Stars im Visier des Lauterkeitsrechts

In den letzten Jahren kam es im Influencer-Marketing zu diversen rechtlichen Auseinandersetzungen, die sich im Kern mit der Kennzeichnung werblicher Inhalte befassten. Unter einem anderen Blickwinkel untersuchen neuere Entscheidungen Influencer und das Lauterkeitsrecht.
(Quelle: Shutterstock/Alex from the Rock)
Ein Beitrag von Thomas Stein, Rechtsanwalt bei der Wirtschafts- und Anwaltskanzlei FPS, und Christoph Matras, wissenschaftlicher Mitarbeiter für FPS und Rechtsreferendar am Landgericht Gießen
YouTuber, TikToker, Instagrammer und andere Social-Media-Stars gehören unlängst zu einer reichweitenstarken Werbung eines Produktes hinzu. Dank großer Zahlen an Followern in den verschiedenen sozialen Netzwerken haben Influencer nicht nur eine große Reichweite, sondern können Produkte vor allem zielgruppengenau bewerben. In den vergangenen Jahren kam es im Bereich des Influencer-Marketings daher schon zu diversen rechtlichen Auseinandersetzungen, die sich im Kern mit der Kennzeichnung werblicher Inhalte befassten. Unter einem anderen Blickwinkel untersuchen neuere Entscheidungen Influencer und das Lauterkeitsrecht. Brisant ist dabei die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Influencer übereinander herabwürdigenden Content erstellen oder sich gegenseitig imitieren und kopieren. Hilft das Wettbewerbsrecht nach dem UWG?

Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher

Außerhalb medienrechtlicher Vorschriften, die im Kern Kennzeichnungs- und Trennungspflichten mit Blick auf werbliche Ansprachen bereithalten, ist es vor allem das Lauterkeitsrecht, das Werbung und Äußerungen im Wettbewerb Grenzen setzt. Das Lauterkeitsrecht bezweckt in erster Linie den Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher.
Gerade mit Blick auf neue Kanäle wie Instagram und TikTok fällt der Blick vor allem auf das Verbot unmittelbarer Kaufaufforderungen an Kinder (Nr. 28 der sogenannte "Blacklist" im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG). Daneben sind auch das Irreführungsverbot (§ 5 UWG), die werbliche Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG) und die hinreichende Erkennbarkeit von Werbung (§ 5a Abs. 4 UWG) zu beachten.
Gerade gegenüber den teils sehr jungen Followern ist die Nähe zu diesen Unlauterkeitstatbeständen nicht von der Hand zu weisen. Im "Wettbewerb der Influencer" zueinander sind es vor allem die rufschützenden Mitbewerberregelungen des § 4 UWG, die im folgenden Beitrag beleuchtet werden.

Anwendungsvoraussetzung: geschäftliche Handlung

Für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung einer Aussage, Ansprache oder Maßnahme ist es stets entscheidend, ob und wann eine werbende oder sonstige Tätigkeit von Influencern eine sogenannte "geschäftliche Handlung" darstellt. Darunter versteht man im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr.1 UWG im Wesentlichen jedes Verhalten zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der die Absatzförderung oder mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu tun hat. Gemeint sind ebenfalls Handlungen, die mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen zusammenhängen.
Feststellen lässt sich dies in erster Linie anhand einer Würdigung des Einzelfalles, wobei im Bereich des Influencer-Marketings das sogenannte "Taggen" von Produkten und Unternehmen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.9.2020, Az. 6 U 38/19 - Tap Tags) häufig bereits Anhaltspunkte einer geschäftlichen Handlung sind. Auch die Nutzung eines Businessprofils und/oder die Inanspruchnahme von Entgelten oder sonstigen finanziellen Vorteilen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.6.2019, Az. 6 W 35/19 - Getarnte Werbung durch Influencer) fällt darunter.
Abzugrenzen hiervon sind diejenigen Fälle, in denen es um eine rein private, informative und/oder meinungsbildende Handlung geht, die damit nicht im funktionalen Zusammenhang mit einem Absatz- oder einer Bezugsförderung steht. Als Prüfstein gilt daher grob, dass eine Handlung oder ein Beitrag eine geschäftliche Handlung darstellt, wenn der jeweilige Influencer hierfür eine Gegenleistung erhält oder der Beitrag einen bestimmten werblichen Charakter manifestiert.

Welche Äußerung gilt als geschäftliche Handlung?

Aber nicht nur bei einer Werbung für Produkte Dritter ist eine geschäftliche Handlung anzunehmen, sondern auch, das ist besonders brisant, wenn ein Influencer zur Förderung seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit agiert. Wenn er seine eigenen Produkte bewirbt oder im eigenen kommerziellen Interesse handelt, um etwa seine Reichweite zu erhöhen. Wenn dies zum Beispiel dazu beitragen soll, bezahlte Werbebeiträge zu vereinnahmen.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu erst jüngst entschieden, dass ein Unternehmer, der private Äußerungen als Mittel des Wettbewerbs einsetzt, um sein eigenes Unternehmen zu fördern, diesen vermeintlich privaten Äußerungen oder diesem Beitrag dadurch eine geschäftliche Wendung gebe (BGH, Urt. v. 9.9.2021, Az. I ZR 90/20 - Influencer I; BGH, Urt. v. 9.9.2021, Az. I ZR 126/20 - Blauer Plüschelefant).
Damit kann der Anwendungsbereich des UWG auch dadurch eröffnet sein, dass ein Influencer oder eine prominente Person auf dem eigenen Social Media Account auf eigene Leistungen, wie Auftritte, Produkte oder sonstige Dienstleistungen hinweist und dadurch den Absatz dieser Leistungen (auch unbewusst) fördert.

Schutz vor persönlichen Angriffen der Konkurrenz

Mit diesen Vorbedingungen leitet sich eine praxisrelevante Konsequenz ein. Ist - außerhalb des UWG - die eigene Persönlichkeit vor rechtswidrigen Angriffen Dritter im Regelfall nur im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB) geschützt, kommt für den Influencer nunmehr auch ein unmittelbarer Anspruch aus § 4 UWG in Betracht. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann (in Verbindung mit § 1004 BGB) Unterlassungsansprüche, aber nur schwerlich Schadensersatzansprüche begründen. Zudem kann er immer erst nach umfassender Interessenabwägung eingesetzt werden.
Während es bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in der Regel der Geschädigte ist, der das Vorliegen der Rechtsverletzung beweisen muss, greift (im Rahmen des § 4 Nr. 2 UWG) eine zugunsten des Geschädigten laufende Beweislastumkehr. In einem solchen Fall muss der Kläger die Wahrheit einer als unwahr befundenen Aussage belegen.

Verunglimpfung auf Social Media

Gerade auf TikTok und YouTube machen es sich Content Creator häufig zur Aufgabe, andere Influencer anzugreifen, dabei - auch unbewusst - zu diffamieren oder herabzusetzen. Konnte sich hiergegen bislang nur über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewehrt werden, steht - in Konsequenz des Urteils des LG Köln - eine Inanspruchnahme auf Grundlage des § 4 UWG nichts mehr im Wege. Nach der neuen Vorschrift ist es unlauter und damit unzulässig, wenn ein Mitbewerber die Waren, Dienstleistungen oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines anderen Mitbewerbers herabsetzt und/oder verunglimpft (§ 4 Nr. 1 UWG) oder über deren Eigenschaften unwahre, geschäfts- oder kreditschädigende Tatsachenbehauptungen aufstellt (§ 4 Nr. 2 UWG).
Soweit Content Creator sich also im Rahmen ihrer Videos und Beiträge auch kritisch mit der Konkurrenz auseinandersetzen, ist dies grundsätzlich zulässig und auch im Sinne der Meinungsfreiheit ein wichtiges Schutzgut.  Eine Einschränkung dieser Freiheit bedarf der Abwägung mit dem geschützten geschäftlichen Ruf des Betroffenen (Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls.
Auch im weitgehend anonymen und freien Onlinebereich sind deutliche Grenzen zu setzen und trotz des eigenen öffentlichkeitswirksamen Auftritts ist nicht jede kritische oder gar beleidigende und abwertende Auseinandersetzung hinzunehmen. Mit Öffnung des UWG für den "Wettbewerb Social Media" weitet und bessert sich der Schutz in diesem Segment.

Konsequenzen für die Praxis

Klar ist, dass für Dritte nach wie vor Vorsicht bei der Influencer-Werbung geboten ist. Hier gilt auch weiter sowohl für die Influencer als auch die mit ihnen werbenden Unternehmen, dass eine gewisse Awareness aufgebaut und vertraglich durch eine Kennzeichnungsverpflichtung abgesichert werden sollte. Daher ist auch weiterhin darauf zu achten, dass die Beachtung der wettbewerblichen Bestimmungen und der Kennzeichnungspflichten zur Risikovermeidung zum Vertragsinhalt eines Influencer-Vertrages erhoben werden.
Für Ansprüche aus dem UWG nimmt es eine entscheidende Rolle ein, ob es sich bei der Person und ihrer konkreten Handlung um eine unternehmerische, weil geschäftliche Handlung handelt oder ob es ein Beitrag des rein privaten Bereichs ist. In letzter Konsequenz ist dies immer eine Einzelfallfrage, wobei sich die kommerziellen Interessen bei den "Stars der Branche" wohl nicht von der Hand weisen lassen. Im Zweifel gilt daher, nicht darauf zu vertrauen, dass ein Beitrag im Rechtsfall als private Handlung qualifiziert wird. Es ist daher zu empfehlen, die Anforderungen des Wettbewerbsrechts jederzeit kritisch zu prüfen und einzuhalten.

Das UWG als Schutzmaßnahme

Gerade weil die Hemmschwelle für Beleidigungen, Mobbing und Drohungen in der Anonymität des Internets häufig besonders niedrig ist und auch Content Creator zur Verbesserung ihrer Performance kritische und beleidigende Beiträge produzieren, ist es umso wichtiger, wirkungsvolle Gegenmaßnahmen, wie das des UWG an der Hand zu haben. Trotz der unbegrenzten Möglichkeiten des Internets und seiner weitestgehenden Unkontrollierbarkeit verbleibt so ein sinnvoller und stets zu beachtender Schutzmechanismus im Interesse eines fairen Wettbewerbs zugunsten aller Beteiligten.
Festzuhalten bleibt, dass das Influencer-Recht als relativ junge, komplexe Materie die Beratungspraxis auch weiterhin fordern wird und zwingend erforderlich macht. Es zeichnet sich eine begrüßenswerte Tendenz ab, die die betreffenden Kreativen in ihrer beruflichen Tätigkeit schützt. Sie werden zunehmend als wichtiger Teil der Gesellschaft etabliert und anerkannt.



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