Panel auf der OutDoor by ISPO 15.06.2022, 10:23 Uhr

Wie können globale und lokale Lieferketten erneuert werden?

Die Lieferketten sind gestört, und dazu wird jede Menge Textilabfall produziert. Bei einem Panel auf der OutDoor by ISPO stellten die Teilnehmer fest: Wir müssen stärker miteinander kooperieren – und uns mit anderen Branchen zusammentun.
Diskutierten auf der Bühne über die Erneuerung von Lieferketten beziehungsweise Partnerschaften: (v.l.n.r.) Fritz Lietsch (Moderator), Tobias Gröber (ISPO Group), Claudio Marenzi (Herno/Montura) und Walter Thomsen (SOEX). Zugeschaltet war Vinod Kumar (Vodafone, Bildmitte).
(Quelle: Florian Bergener)
Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite des MOC München, hatten die Messeverantwortlichen der OutDoor by ISPO eine sogenannte Socializing & Catering Area errichtet. Hier gab es nicht nur Kulinarisches und Platz zum Entspannen, sondern auch die von früheren Messen bekannte und gewohnte Zeltausstellung vieler Marken. Darüber hinaus wurden hier den Messebesuchern jedoch auch einige spannende Diskussionsrunden geboten. Eine thematisierte die Frage: Wie können globale und lokale Lieferketten (oder besser: Lieferpartnerschaften) erneuert werden?

Störungen der Lieferketten das größte Thema

Moderiert wurde das Panel von Fritz Lietsch, Herausgeber des „Forum Nachhaltig Wirtschaften“, das als Deutschlands führendes Wirtschaftsmagazin in Sachen CSR gilt. Lietsch rief dazu Claudio Marenzi, CEO der italienischen Luxusjacken-Marke Herno und des Outdoor-Bekleiders Montura, Walter Thomsen, CEO des norddeutschen Alttextil-Recyclingunternehmens SOEX, und Tobias Gröber, Chef der ISPO Group, auf die Bühne. Aus London zugeschaltet war Vinod Kumar, CEO von Vodafone Business, der mit seinem Unternehmen und entsprechenden Technologien dafür sorgt, dass Menschen miteinander kommunizieren – auch innerhalb der Lieferketten. Gröber eröffnete die Runde und mutmaßte, manche hier würden sich die Frage stellen, was er denn als Messeveranstalter auf der Bühne zu diesem Thema verloren habe. Er erklärte seine Teilnahme damit, in den letzten zweieinhalb Jahren hauptsächlich Gespräche über Störungen der Lieferketten mit Industrievertretern geführt zu haben, und das nicht nur im Sportbereich. Und auch die Messe selbst würde darunter leiden – zum Beispiel Rohmaterialien für den Standbau zu bekommen. „Wir müssen neue Wege der Zusammenarbeit finden und sehen, wie wir das Material, das uns zur Verfügung steht, nutzen können“, forderte Gröber. Vor ein paar Wochen habe er die Intertex, eine Textilmesse in Porto, besucht, und die dort ausstellenden portugiesischen Marken hätten von einem absoluten Rekordjahr 2021 berichtet. Der Grund sei, dass diese ihre Lieferketten wieder zurück nach Europa verlagert hätten.
Marenzi, der schon im Alter von 20 Jahren sein erstes Business aufgezogen hatte, berichtete, dass seine beiden Marken Herno und Montura (erworben vor einem halben Jahr) in Europa produzieren würden. Der Vierte auf der Bühne, Walter Thomsen, stellte sein Reycling-Unternehmen wie folgt vor: „Wir müssen sozusagen mit dem leben, was von euch (Anm. d. Red.: die Industrie) so kommt.“ Er sehe, dass es ein starkes Bedürfnis bei den Herstellern nach Veränderung gebe. Für ihn sei es nicht einfach, hier auf der Bühne zu sein, bekannte Marenzi, vom Moderator darauf angesprochen, wie er für Unternehmen wie SOEX wichtig sein könnte und umgekehrt. Er habe einen Betrieb zu leiten (= Umsätze und Profit zu erzielen), müsse sich aber dazu aufraffen, mit anderen Unternehmen zu sprechen und zusammenzuarbeiten.
 

Ziel: Unternehmen zusammenbringen

ISPO-Chef Gröber erklärte, dass dieses Format hier schon die erste Saat einer Idee sei, die er vor Jahren gehabt habe. Er verwies auf eine andere eigens veranstaltete Messe, die Anfang Juni über die Bühne gegangen sei, und zwar die IFAT, die sich mit Umwelttechnologien beschäftigt. „Die Unternehmen, die dort ausstellen, haben Lösungen, nach denen andere Industriezweige vermutlich suchen, aber nichts davon wissen“, betonte Gröber und spielte dabei auch auf den sogenannten Cross-Industry-Ansatz der Messe München an, sprich Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammenzubringen.
 
Thomsen verwies auf das Kreislaufwirtschaftspaket der EU, das unter anderem vorsieht, dass bis 2025 mindestens 55 Prozent der Siedlungsabfälle (Abfälle aus privaten Haushalten, Einrichtungen wie Krankenhäusern, Verwaltungsgebäuden etc. und auch aus der Industrie) in den Mitgliedstaaten recycelt werden sollen. „Wir sehen uns künftig als Serviceunternehmen für Textiliten, damit diese ihr Commitment einhalten können“, warb der CEO für SEOX und ergänzte mit einem süffisanten Lächeln: „Wir haben das Jahr 2022, und die Bekleidungsindustrie ist 1.000 Jahre alt. Die ist ein bisschen spät dran (mit Recycling) – hoffentlich nicht zu spät.“ Herno-CEO Marenzi erinnerte daran, dass man genau studieren müssen, welche Materialien für das RRR-Prinzip (Reduce Reuse Recycle) geeignet sei. Mixturen stellten ein gewisses Problem dar – zum Beispiel Wolle und Seide. Diese seien schwer wiederzuverwenden. Modedesigner müssten auf diesen Punkt in Zukunft schon im Vorfeld der Kollektionsentwicklung noch stärker achten.
 

Auch der E-Müll ist beträchtlich

Der Vodafone-Business-Chef Kumar erinnerte daran, dass auch sehr viel Elektronikabfall produziert werde. Viele Menschen in der westlichen Gesellschaft würden sich sehr oft neue Handys anschaffen – nicht so oft wie Textilien, aber auch sehr häufig. Es gehe darum, Wege aufzubauen, diese für Tourismusorganisationen zu reyceln und neu aufzusetzen, damit die Geräte in Länder verschickt werden, wo die Erschwinglichkeit etwas geringer sei. Und auch Anreize für Konsumenten zu schaffen, diese abzugeben. „Wenn wir uns mal in einem größeren Haushalt umschauen, dann bin ich mir sicher, dass wir wahrscheinlich fünf Handys, drei Tablets und zwei Laptops finden können, die irgendwo in einem Schrank liegen“, meinte Kumar, der versprach: „An solchen Recyling-Konzepten arbeiten wir.“ Moderator Fritz Lietsch wandte sich abschließend an Gröber mit den Vorschlag, auch Politiker zu solchen Diskussionsrunden oder Workshops einzuladen. Denn: „Wir müsse diese an Bord haben, wenn wir versuchen wollen, um diesen Paradigmenwechsel hinzubekommen.“



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