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Diskussionsrunde zum Sporthandel 03.12.2025, 17:35 Uhr

„Auch Händler müssen starke Marken werden“

Erstmals: Auf der „Retail & Innovation Stage“ der ISPO Munich 2025 diskutierten die CEOs von Intersport, Sport 2000 und Decathlon Deutschland über Expansion, Eigenmarken, Digitalisierung und die Zukunft des stationären Handels. 
Carsten Schürg (l.) aus dem ISPO-Team und Philipp Hoog (r.) von der BBE Handelsberatung leiteten ein prominent besetztes Panel zum Sporthandel: (v. l.) Alexander von Preen (Intersport), Margit Gosau (Sport 2000) und Arnaud Sauret (Decathlon Deutschland).
(Quelle: Messe München)
Es war eines der Highlights der ISPO Munich vom 30. November bis 2. Dezember: die Paneldiskussion der CEOs der führenden Player im deutschen Sporthandel. Alexander von Preen (Intersport), Margit Gosau (Sport 2000) und Arnaud Sauret (Decathlon Deutschland) sprachen über die Zukunft des Sportretails hierzulande. Die Fragen stellten Carsten Schürg, Senior Executive Advisor der ISPO, sowie Philipp Hoog, Partner der Strategie- und Unternehmensberatung BBE. SAZsport hat das Gespräch aufgezeichnet – hier die wichtigsten Passagen.
Welche Bausteine des jeweiligen anderen würdet ihr gerne in eure Strategie integrieren?
Alexander von Preen: Ich würde gerne mit Arnaud mal nach China reisen, in die Produktion schauen und mir das ein oder andere abgucken. Beim Thema Eigenmarken hat Decathlon eine sehr ordentliche Vorlage gemacht. Das ganze Geschäftsmodell beruht darauf, und wir könnten noch etwas von dieser Kompetenz gebrauchen, um es entsprechend für uns einzusetzen.
Margit Gosau: Ich bewundere an euch, wie zügig ihr bei Intersport die Händler zu Modernisierungsthemen bewegt. Diese Stärke und Geschwindigkeit wünsche ich mir manchmal auch bei uns, vor allem im Multi-Category-Bereich. Und bei Decathlon finde ich phänomenal, mit welcher Geschwindigkeit ihr eure Expansion umsetzt.
Arnaud Sauret: Ich würde mir wirklich wünschen, so stark zu sein wie ihr beide. Ihr seid so gut vernetzt – ob auf dem Land oder in den Städten. Es ist etwas, was wir immer noch nicht geschafft haben. Das ist eine enorme Herausforderung, aber daran müssen wir unbedingt arbeiten.
Alexander, du bist ja nicht nur CEO von Intersport, sondern auch Präsident des Handelsverbandes. Wo kann Intersport von anderen Branchen lernen – und was macht Intersport oder die Sportbranche vielleicht sogar besser als andere?
Von Preen: Erst mal: Das Zusammenspiel von online und offline ist für uns gesetzt. Ich glaube, das haben wir mittlerweile auch im Handelsverband entsprechend positionieren können. Und wenn ich mir Thalia anschaue, so sind die eine ähnliche Strategie gefahren wie wir  jetzt. Sie stellen auch das Thema Einkaufserlebnis nach vorne, haben mit dem Spielwaren-Thema einen angrenzenden Bereich inkludiert und damit eine völlig neue Einkaufswelt geschaffen. Für uns heißt das: Lifestyle, Sport und Performance so positionieren, dass Menschen verweilen, einkaufen und sich inspirieren lassen – und dass wir eine kluge Verbindung zwischen online und offline schaffen. Kollektionen müssen kanalübergreifend verfügbar sein.
Wie siehst du Decathlons Strategie, mit Galeria zu kooperieren?
Von Preen: In die Städte zu gehen, hatten sie bisher nicht so im Fokus. Aber das Thema Galerie zu nutzen ist genial – zu sagen, wir nehmen 2.000 Quadratmeter von eurer Fläche, das passt. Wir als Enabler und Dienstleister für Unternehmer haben geringere Chancen, solche Flächen zu bespielen. Ich fordere aber im Handelsverband, dass Vermieter sich mal zusammentun und etwa durch Bieterkonsortien Flächengrößen in Innenstädten auf einer Ebene schaffen. Da muss es auch mal eine Vermieter-Einheit mit ein bis zwei Häusern nebeneinander über 1.000 oder 2.000 Quadratmeter geben, um sie den Händlern anzubieten. Denn dreistöckig oder vierstöckig mit jeweils 150 Quadratmetern, das ist für uns nicht darstellbar. Wir brauchen ein Umdenken in den Städten.
Arnaud, wie schaut der internationale Decathlon-Kosmos auf Decathlon Deutschland?
Sauret: Die Geschichte ist lang. Als wir 1986 starteten, waren wir nicht bereit für Deutschland. Unser Businessmodell war ein französisches Businessmodell. Die Erwartungen deutscher Kunden sind aber nicht vergleichbar mit französischen. Aber wir haben jetzt sehr viel gelernt und heute hat Deutschland für uns höchste Priorität. Dennoch: Wir haben unter 5 % Marktanteil. Wir wollen wachsen, Schritt für Schritt, und planen 30 neue Geschäfte pro Jahr. Aber das heißt, 1.250 Menschen jedes Jahr einzustellen. Das ist eine enorme Herausforderung. 
Margit, Deutschland gilt bei Sport 2000 als der Pacemaker. Wo können denn andere Länder von Deutschland lernen - oder auch umgekehrt?
Ab 1. Januar 2026 wird sich Marit Gosau auf ihre Rolle als CEO von Sport 2000 international fokussieren. Seit 2019 hatte sie parallel die Sport 200 Deutschland GmbH geführt, zuletzt gemeinsam mit Dirk Solleder.
Quelle: Messe München
Gosau:
Deutschland ist im Fokus aller Marken, alle wollen hier wachsen. Es wird langsam eng in Deutschland (lacht). Wichtig ist, sich dem Markt anzupassen – das hat auch Arnaud gerade gesagt. Mit einer französischen Strategie in Deutschland wird es schwierig und mit einer deutschen Strategie in Frankreich noch viel schwieriger. Wir sind in starkem Maße ein Fachhandelsverbund für Spezialisten. Ich glaube, das ist nicht nur in Zentraleuropa eine gute Strategie, sondern global. In vielen europäischen Märkten ist sie aber nicht ausgeprägt – etwa in Frankreich, Spanien oder Italien. Aber auch in UK, dem größten Sportmarkt Europas. Da haben wir großes Potenzial, das wir heben wollen.
Jetzt habt ihr viel von Expansionsplänen gesprochen. Aber: Wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb. Player wie Amazon und Zalando wollen auch stark wachsen. Aus China kommen Shein und Temu. Aber irgendwer wird auf der Strecke bleiben, wenn alle wachsen wollen. Wer wird nicht mehr wachsen? Was ist dazu eure These?
Von Preen: Was den Wettbewerb betrifft, will ich Temu und Shein gar nicht nennen, weil sie sich nicht an die Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa halten. Das ist für mich nicht in Ordnung. Ich hoffe, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher das trotz der extrem niedrigen Preisen dieser Anbieter auch so sehen. Zalando ist unser größter Wettbewerber, mit denen haben wir die größten Schnittstellen. Stationär müssen wir resilient werden. Die Online-Anteile liegen bei uns mittlerweile deutlich über 40 Prozent, und das zeigt, in welchem Wettbewerb wir stehen. Wir sind darauf vorbereitet. Aber: Die Kleinteiligkeit im Sportfachhandel, die wird wegfallen, Filialisierung wird zunehmen. Konsumenten vertrauen Brands – auch im Hinblick auf den Handel. Nehmen wir Deichmann zum Beispiel. Da gehen die Leute hin, weil sie wissen, was sie erwarten können und dass sie da auch Qualität bekommen. Das ist ein entscheidender Punkt für uns. Wir müssen als Brand so positioniert sein, dass unsere Händler resilient für die Zukunft sind und acht Prozent Rendite machen können.
Kommt bei den Händlern an, dass sie sich bewegen müssen?
Gosau: Nicht durchgängig, aber es kommt immer mehr an. Marken müssen stark sein – auch Händler als Marken. Wir haben starke Marken auch auf der Händlerebene. Den Frankfurter Laufshop kennt jeder in Frankfurt und Umgebung. Er ist Sport-2000-Partner, wird sich aber kein Sport-2000-Logo an die Tür hängen. Natürlich wollen wir auch Sport 2000 zu einer starken Marke machen und Absolut Run und Absolut Teamsport als solche  etablieren.  Es gibt weitere sehr starke Marken im Verbund wie Globetrotter oder Sport Conrad. Wir können ihnen helfen, in gewisser Weise stark zu werden. Das ist bei uns auf dem Schirm. Aber es gibt auch Händler, wo das noch nicht durchgedrungen ist. 
Zitat
Alexander von Preen:
„Wir werden in den nächsten drei bis fünf Jahren rund 250 Händler verlieren“

Von Preen: Viele Formate in Deutschland sind zu klein. Wir rechnen damit, in drei bis fünf Jahren rund 250 Händler zu verlieren – nicht wegen fehlender Nachfrage, sondern wegen fehlender Nachfolger, zu kleiner Flächen und mangelnder Wirtschaftlichkeit. Wir unterstützen Händler mit Warenwirtschaft, Marktplatz, suchen für sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutschlandweit, bilden sie aus in der Akademie und machen über eine sogenannte Lernwelt online entsprechende Kurse. Händler müssen aber auch die Rückvergütung in die Flächen investieren. Aber wir werden in den nächsten Jahren nicht um eine Filialisierungsentwicklung in Deutschland herumkommen. Es wird weniger Händler geben, die aber, die da sind, werden filialisiert sein.
Spannend ist auch das Thema Eigenmarke. Arnaud, wie balanciert ihr Eigenmarken und Markenvielfalt?
Arnaud Sauret ist seit 2023 CEO von Decathlon Deutschland, war zuvor unter anderem als CEO Malaysia für das französische Unternehmen tätig.
Quelle: Messe München
Sauret:
Ich glaube, dass wir heute auf der ganzen Welt so präsent sind, liegt daran, dass wir unsere eigene Marke sind. Produktentwicklung ist das Komplizierteste überhaupt. Aber wir verkaufen in Deutschland Millionen Produkte, weil wir für die komplette Kette zuständig sind. Doch das allein reicht nicht. Wir haben die Entscheidung getroffen, auch mit externen Marken zusammenzuarbeiten, die ihre Produkte besser können – Abus ist ein Beispiel. Wir teilen die gleichen Werte als Familienunternehmen, und Abus hat einen exzellenten Ruf in Deutschland. Unser Ziel ist, dass Kunden bei uns die besten Produkte finden. Die Zeit der Monolithen ist vorbei.
Wie verändert sich die Rolle der Fläche, Margit?
Gosau: Die Fläche ist nicht mehr nur eine Aneinanderreihung von Regalen mit Produkten. Das funktioniert nicht mehr, weil der Konsument etwas anderes erwartet. Er erwartet, dass der Store praktisch Partner im Leben wird, also Begegnungsstätte, Community-Hub, Ort von Experience. Unser neues Multi-Category-Format ist modular. Wir können die Mitte des Stores in 20 Minuten freiräumen und Yoga, Podiumsdiskussionen oder Step-Aerobic-Classes anbieten. Es gibt Erlebnisbereiche für Marken, eine Lounge, ein Community Board für Lauftreffs, wo die Teilnehmer ihre Sachen in einen Schrank einschließen können. Ein Händler von uns in Bonn bietet Radreifenwechselkurse für Triathleten an. Produkte kann ich online kaufen, im Store brauche ich Beratung, Erlebnis und Community. Das Thema Community Building steht bei uns im Zentrum.
Ein großes Thema auch im Handel ist KI. Wo seht ihr Risiken, wenn KI nicht aktiv gestaltet wird?
Von Preen: Für uns gibt es kein Entweder-oder. Unsere Warensteuerung läuft mittlerweile über KI. Wir haben die Produktion, die Lagerhaltung entsprechend darauf ausgerichtet. Wir haben das Thema Verkaufsassistenten auf den Flächen mittlerweile ausgerichtet. Von der Online-Lernplattform habe ich schon ein bisschen geredet. Also, es geht gar nicht mehr anders, um es den Händlern möglich zu machen, mit weniger Personal auf der Fläche auch erfolgreich arbeiten zu können.
Gosau: Die komplexen Backoffice-Aufgaben kann man mit KI super steuern. Wir bieten Plattformen an, um Personal zu finden. Wenn etwa ein Händler eine Stellenbeschreibung schreiben muss, dann kann er per KI-Lösung innerhalb von 30 Sekunden eine fertiggestellte haben und auf unserer Personalsearch-Plattform posten. Und natürlich wird die KI sich auch in die Frontprozesse hinein ausbreiten. Wird KI in Zukunft beraten statt des Menschen? Nein, und das wollen wir auch nicht. Aber KI kann den Menschen unterstützen, den Verkaufsprozess zu gestalten. 
Sauret: Die Entwicklung ist absolut notwendig und wird immer stärker werden. Aber wir haben heute in Deutschland 400 Mitarbeiter im Service, und unsere Aufgabe ist es auch, deren Arbeitsplätze zu schützen. Manche Jobs werden sich verändern oder ganz verschwinden. Wir investieren deshalb viel, um Organisation und Mitarbeitende auf morgen vorzubereiten.
Zum Abschluss: Wie sieht eure Botschaft an die Branche aus?
Von Preen: Lasst uns gemeinsam Innovationen in den Markt bringen. Das fehlt uns seit ein paar Jahren.
Margit Gosau: Richtig, es geht nur gemeinsam. Lasst uns gemeinsam an Lösungen arbeiten, um den stationären Handel fit zu halten für die Zukunft.
Von Preen: Die Frage ist: Wie können wir gewährleisten, dass immer mehr Familien in Deutschland mit Sport anfangen oder weiter Sport treiben? Da haben wir eine gemeinsame Aufgabe. Ich hoffe auch, dass wir gemeinsam eine Rolle spielen werden für die nächste Olympiade, die hoffentlich in Deutschland stattfinden wird. 



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