Wie der Verband den kleinen Händlern ihre Einlagen nahm 17.04.2020, 12:30 Uhr

Zuerst müssen die Systempartner bei Intersport bluten

Aufgrund von Hinweisen von Genossen und Systempartnern ist SAZsport der Frage nachgegangen, warum den fast 400 Systempartnern nahezu die kompletten Einlagen vom Verband eingezogen wurden.
Intersport hat den Systempartnern die Einlagen kassiert.
(Quelle: Shutterstock/Cineberg)
Einen Tag nach der Generalversammlung der Genossen kamen im Heilbronner Red Blue Center auch die Systempartner von Intersport zusammen. An diesem 10. März stellte SAZsport aufgrund erster Hinweise von Intersport-Mitgliedern beim Vorstand und Aufsichtsrat unter anderem auch eine wichtige Anfrage: "Wie kommen die 12 Mio. Euro aus der Systempartner-Bilanz zustande, die als Ausleihe an Voswinkel in 2018 und als Wertberichtigung in 2019 tituliert werden?" Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe haben wir auf diese Frage keine Antwort erhalten.
 
Vier Tage nach der Versammlung der Systempartner in Heilbronn erhielten dafür die 397 Systempartner einen Brief vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Alexander von Preen und dem ausgeschiedenen Finanzvorstand Hannes Rumer mit dem Titel „Verlustverteilung“: "Gemäß Paragraph 16 des Gesellschaftsvertrags erhalten Sie heute Ihre Abrechnung über den von Ihnen zu tragenden Anteil am Verlust der Gesellschaft (Verlustanteil)." Die stillen Einlagen der Systempartner werden verwendet, um die Verluste der Intersport-Gruppe (in 2018/19 waren es 17,6 Mio. Euro) aufzufangen. Der Verlustanteil bemisst sich prozentual nach dem Anteil der Einlage und er ist beschränkt auf die Höhe der Einlage. Doch gemäß des Schreibens, das SAZsport vorliegt, sind nahezu 99 Prozent der stillen Einlagen weg. Das Komma wurde quasi um zwei Stellen verschoben: Aus fünfstelligen Beträgen wurden dreistellige und aus vierstelligen sogar nur noch zweistellige. "Man sieht ja bei Intersport, dass kleinen Systempartnern die Beteiligung einfach durch eine sogenannte Verlustrechnung mehr oder minder auf ein Taschengeld zusammengestrichen wurde", beschreibt ein Systempartner die Lage.
 
Dass die Systempartner von diesem Schreiben vier Tage nach ihrer Versammlung überrascht waren, ist verständlich. Wer weitere Hintergründe erfährt, dürfte umso überraschter sein. "Wissen Sie auch von dem Systempartner-Verlust wegen uneinbringlicher Forderungen an Voswinkel?! Warum steckt das in der Systempartner-Bilanz?", fragte uns ein Genosse bereits vor der Generalversammlung. In der im Bundesanzeiger einsehbaren Bilanz zum Geschäftsjahr 2017/2018 hat die "Systempartner Intersport GmbH eine langfristige Forderung von 12 Mio. Euro gegen die Sport Voswinkel GmbH & Co. KG unter den Ausleihungen an verbundene Unternehmen" bilanziert. In der Systempartner-Bilanz von 2018/2019 erscheine nochmal eine Wertberichtigung von 12 Mio. Euro und ein Systempartner-Verlust wegen "uneinbringlichen Forderungen an Voswinkel".
Wer sind die Systempartner?
Wer sind die Systempartner?
Die Systempartner GmbH ist eine separate Gesellschaft von Intersport, die im Jahr 2000 aus den Verbünden Sportring, Zentrasport und Golden Team Sport entstand. Derzeit sind dort 397 zumeist kleine Händler angeschlossen, die als selbstständige Unternehmer frei entscheiden können, ob sie die verbandseigene CI tragen oder nicht. Diese Händler haben genauso wie die Genossen bei Intersport Einlagen eingebracht, aber sie sind im Unterschied zu den Genossen stille Gesellschafter und haben kein Mitbestimmungsrecht in der Genossenschaft. Bei den Systempartnern entscheidet allein der Vorstand über die nächsten Schritte.

 
Die Systempartner GmbH ist eine separate Gesellschaft von Intersport, die noch nie etwas mit Voswinkel zu tun hatte. Sie hat laut der Bilanz 2017/18 Voswinkel 12 Mio. Euro geliehen, und das wird in der Bilanz 2018/19 als uneinbringliche Forderung mit einer Wertberichtigung ausgebucht, weil der insolvente Voswinkel unter dem Schutzschirmverfahren war. Das Geld ist weg. Der Verlust bleibt. Die Systempartner müssen es abschreiben, weil Voswinkel pleite ist. Und, dass ihnen 99 Prozent ihrer Einlagen weggenommen werden, haben die Systempartner jetzt ausgerechnet in Zeiten von Corona per Brief vom Verband erfahren,.
 
"Die Systempartner sind stille Gesellschafter. Sie haben im Vergleich zu den Genossen im Verband nichts zu sagen", hört man aus Verbandskreisen. "Sie waren immer schon die „Cash Cow“, die gemolken wurde, und mit der der Verband und die Genossen Geld verdient haben. Sie haben die Ware im Lager gekauft, sie hatten keine so hohen Rückausschüttungen wie die eG-Mitglieder, keine Gewinnausschüttung." Dass sie nun für die Verluste von Voswinkel aufkommen müssen, für den zentral in die Insolvenz geführten Retailer, das ist eine neue Dimension in der Ausnutzung der Cash Cow.
 
Die letzte Generalversammlung habe gezeigt, dass es viele Händler gibt, die nicht alles mit sich machen lassen. Die nahezu einstimmige Entlastung des Vorstands, auch wenn öffentlich abgestimmt wurde, habe aber auch gezeigt, dass viele Händler im Verband es noch nicht so recht begriffen haben, was gerade passiert, fasst ein Unternehmensberater zusammen, der auch für mehrere Intersportler tätig ist. "Schlechter kann man ein Unternehmen nicht führen. Was hier in den letzten fünf Jahren an Geld vernichtet wurde. Es sind ja nicht nur die 17,6 Mio. Euro Verlust aus der letzten Bilanz. Voswinkel hat operativ über 30 Mio. Euro Verlust gemacht, nur es wurde in der Bilanz versteckt, weil es in der Beteiligungsgesellschaft drin war. So hat das keiner gemerkt. Die Digital GmbH hat ebenfalls über 30 Mio. Euro Verlust gemacht. Auch das ist in der Beteiligungsgesellschaft drin, und so ist es ebenfalls unbemerkt geblieben. Diese 60 Mio. Euro sind schon verarbeitet. In guten Jahren verdient Intersport als Konzern rund 30 Mio. Euro."
Müssen die Systempartner für die Pleite von Voswinkel ihre Einlagen hergeben?
Quelle: Intersport
Diese ausgeliehenen, aber nie zurückbezahlten 12 Mio. Euro schrauben die Verluste von 17,6 Mio. Euro im Jahr 2019 und auch die 60 Mio. Euro aus den Vorjahren auf eine fast dreistellige Millionensumme, die aus den Taschen der Genossen, ihren Rücklagen und Gewinnen finanziert wurden. Absolut sind die Rücklagen in Form des Eigenkapitals im vergangenen Geschäftsjahr um 17,67 Mio. Euro auf 116,8 Mio. Euro gesunken, im Wesentlichen begründet durch die Verluste aus der Abwertung der Voswinkel-Forderungen.
 
In den letzten Jahren sei zwar der Umsatz zurückgegangen, aber es wurde stets ein Gewinn ausgewiesen, und es erfolgten Rückausschüttungen an die Genossen. Aber schon zu dieser Zeit gab es durch Firmenwertzuschreibungen und neu bewertete Forderungen eine künstlich geschönte Bilanz mit einem Gewinn unter dem Strich. Jetzt ist erstmals auch die Einkaufsgenossenschaft rot in der Bilanz und jetzt werden die Verluste sichtbar.
 
"Intersport nimmt also zur Unzeit, als Voswinkel schon nicht mehr zu retten war, das Geld aus dem Eigenkapital der Systempartner und gibt es Voswinkel. Voswinkel geht pleite, damit ist das Geld weg. Das hat nichts mit Corona zu tun, das ist wirtschaftlich bedingt, und ging in den Konkurs mit ein. Diese Forderung ist unwiederbringlich abzuschreiben. Die Vorstände hätten die Summe auch aus der eG zahlen können. Das hätte die Bilanz locker hergegeben, wenn man 116 Mio. Euro auf der hohen Kante hat. Das geschah aber nicht, weil die Mitbestimmungspflichten in der eG viel größer sind als bei den Systempartnern. Dafür hätte es auf einer Generalversammlung sicher keine Zustimmung gegeben. Also hat man eine Lösung über die armen Systempartner gefunden, die nicht stimmberechtigt sind", analysiert ein Vertrauter die Situation.
 
Heilbronn hat den Systempartnern versichert, dass die "Gewinne in den Folgejahren den stillen Gesellschaftern bis zur Höhe ihrer geleisteten Einlage gutgeschrieben" werden. Doch was passiert, wenn der Händler in zwei Jahren aussteigt? Intersport hat - im Gegensatz zu Sport 2000 mit der DZB-Bank - keine eigene Bank im Rücken. Bei Intersport haften die Mitglieder für ihre Verluste, bei Sport 2000 haftet die Bank. Einige Lieferanten äußerten bereits gegenüber SAZsport ihre Sorgen, wie lange Intersport noch zahlungsfähig und ihre Zentralregulierungsbürgschaft noch valide ist, denn das Haftungskapital der Händler ist endlich. Und im Gegensatz zu den Genossen wurde es den Systempartnern bereits genommen.  Euler Hermes, der größte Kreditversicherer weltweit, hat das Intersport-Rating von 6 auf 7 rutschen lassen. Alles von 1-5 ist versicherbar, von 6-9 nicht. Mainhausen liegt bei 4. Karstadt bei 9.
 
Der Aufsichtsratsratsvorsitzende von Intersport verdient pro Jahr rund 80.000 Euro, der restliche Aufsichtsrat pro Person bis zu 40.000 Euro. Auch diese rund 400.000 Euro könnte der AR reduzieren, wenn man 17,6 Mio. Euro Miese macht. Es wäre in diesen schweren Zeiten ein solidarisches Zeichen.




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