Deutscher Handelskongress 17.11.2017, 09:01 Uhr

Digitalisierung des Handels: mühsam, experimentell und unvermeidbar

Digitale Transformation, Omnichannel-Strategien, Customer Centricity - das waren nur einige der Themen, die die Experten der Branche auf dem Deutschen Handelskongress in Vorträgen, Panels und Workshops heiß diskutierten.
Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group
(Quelle: Management Forum / Foto: Jörg Sarbach)
Zum 25. Mal trafen sich Händler, Dienstleister und Verbände auf dem Deutschen Handelskongress in Berlin. Bereits zu Beginn des ersten Kongresstages wurde klar, was derzeit die Branche am meisten umtreibt: die Anpassung der Unternehmensstrukturen an das digitale Zeitalter. Hinzu kommt die Sorge, bei der technologischen Entwicklung nicht mithalten zu können.
Auch die Otto Group, die in der Branche zu den Vorreitern der digitalen Transformation zählt, hat den Prozess noch lange nicht abgeschlossen, sondern befindet sich mittendrin. "Der digitale Wandel ist ein schwieriger, teils bitterer Weg. Man muss als Unternehmen bereit sein, Altes und Bekanntes hinter sich zu lassen und gegebenenfalls akzeptieren, sich selbst an der einen oder anderen Stelle zu kannibalisieren", sagt Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group. "Technologien und Wettbewerbsziele verändern sich rasant. Aber am meisten wandelt sich das Kundenverhalten. Darauf müssen wir als Händler reagieren und bei allem immer vom Kunden her denken. Leider ist das heute noch nicht bei allen der Fall", so Birken weiter.

Aus Fehlern lernen

Nach diesem Prinzip handelt die Otto Group allerdings auch noch nicht lange. Die Erkenntnis kam durch teils schmerzliche Erfahrungen: Bereits vor einigen Jahren launchte Otto einen Online-Supermarkt für Lebensmittel. Und auch der Mobile Payment Service Yapital ging an den Start. "Beide Services haben wir wieder eingestellt, weil wir damit einfach zu früh dran waren. Die Kunden wollten und brauchten diese Dienste zu dieser Zeit nicht", erklärt der Vorstandsvorsitzende der Otto Group. Klar ist allerdings, dass es essentiell ist, dass sich Händler immer wieder aufs Neue erfinden müssen. Allerdings dürfen sie bei neuen Innovationen nie den Kunden aus dem Fokus verlieren.
Der E-Commerce-Riese Amazon verfährt bekanntermaßen ebenfalls nach diesem Credo. "Wir denken bei allem, was wir tun, vom Kunden aus rückwärts", sagt Ralf Kleber, Country Manager Germany bei Amazon. "Um damit erfolgreich zu sein, benötigt man auch keinen großen Konzern, sondern es braucht Händler und innovative Ideen. Es geht darum zu experimentieren und auch bereit zu sein, mit einer Idee zu scheitern", erklärt Kleber.
Mit seiner Innovationskultur agiert Amazon äußerst erfolgreich am Markt. Hat ein Mitarbeiter bei Amazon eine Idee, wird über diese erstmal eine Pressemitteilung verfasst. Kann der Urheber seine Idee darin plausibel verkaufen, geht es in die Konzeption und Umsetzung.
Ralf Kleber, Country Manager Germany bei Amazon
Quelle: Management Forum / Foto: Jörg Sarbach
Die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen lässt sich der E-Commerce-Riese einiges kosten. 2017 investierte der Marktplatz-Betreiber satte 16 Milliarden US-Dollar in Forschungs- und Entwicklungsprojekte. So sind bei Amazon unter anderem Projekte wie Amazon Go - das kassenlose Einkaufen von Lebensmitteln in stationären Läden - entstanden.

Verknüpfung von On-und Offline-Kanälen

An dieser Stelle wird ein weiterer Punkt deutlich, an dem Händler derzeit arbeiten: die Verknüpfung von On- und Offline-Handel. Gerade in diesem Bereich werde es in den kommenden Jahren zahlreiche neue Technologien geben, glaubt Birken.
Auf die Verbindung von On- und Offline-Kanälen hat sich auch das Software-Unternehmen commercetools spezialisiert. Ziel ist es, überall E-Commerce-Funktionalitäten zu implementieren. An dieser Stelle geht es auch wieder darum, vom Kunden aus zu denken. Denn dieser soll genau dort abgeholt werden, wo er sich im Moment befindet. Aus diesem Grund will das Unternehmen überall dort E-Commerce-Optionen integrieren, wo es für die Zielgruppe des jeweiligen Händlers Sinn macht. Das Potenzial, das hinter dieser Geschäftsidee liegt, hat die Rewe Group früh erkannt und commercetools 2014 gekauft. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Gruppe selbst gerade erst am Anfang ihrer digitalen Transformation. Erst 2013 gründete sich Rewe Digital, die sich seither um die Bereiche Omnichannel, Innovation & Ventures, Digital Marketing sowie den Online-Food-Lieferservice kümmert.
John Gerosa, Director Retail Markets bei Google Germany mit Moderatorin Dunja Hayali
Quelle: Management Forum / Foto: Jörg Sarbach
Doch obwohl es immer mehr Technologien gibt, durch die man die Online- mit der Offline-Welt verknüpfen kann, nutzen sie zurzeit noch zu wenig Händler. Ein Beispiel sind dafür auch Googles Shopping Ads. Denn diese können nicht nur von Online Pure Playern genutzt werden. Sucht ein Kunde auf Google ein paar schwarze Boots und der Nutzer hat dabei Google den Zugriff auf seinen Standort erlaubt, könnten auch stationäre Händler an dieser Stelle ihre Werbebotschaften platzieren und den Kunden so in ihr Geschäft locken. "Das Problem ist, dass die stationären Händler diese Anzeigen noch zu wenig nutzen. Da steckt noch eine Menge vergebenes Potenzial drin", sagt John Gerosa, Director Retail Markets bei Google Germany.

Umdenken in allen Hierarchieebenen

Eine Botschaft ist in allen Vorträgen und Panles deutlich geworden. Unternehmen werden mit ihren Omnichannel- und digitalen Strategien nur dann erfolgreich sein, wenn ein Umdenken bis in die oberste Hierarchieebene stattfindet. Es muss klar werden, dass es keine Unterscheidung zwischen On- und Offline-Kanälen gibt. "Auch stationäre ist heute noch sexy, wenn man den Laden mit dem Webshop verbindet und den Kunden vor Ort ein echtes Erlebnis bietet", sagt Eben Sermon, Vice President eBay Germany. Offline muss eine Weiterführung des Online-Shopping-Erlebnisses sein - und umgekehrt.
Dass solche Erlebnisse mit hohen Kosten verbunden sind, macht das Ganze für kleine und mittelständige Händler aber zu einer echten Herausforderung und ist ein klarer Wettbewerbsnachteil gegenüber Big Playern wie Otto, Rewe, Amazon und Co.
Eine echte Wahl haben die Unternehmen aber nicht. Wer nicht in der Lage ist, mit der technologischen Entwicklung in unserem digitalen Zeitalter mitzuhalten, wird langfristig nicht am Markt bestehen können. Egal, ob es sich dabei um einen stationären Händler, Online Pure Player oder Omnichannel-Händler handelt. "Wer nicht spätestens heute mit der Transformation ins digitale Zeitalter beginnt, den wird es in spätestens fünf Jahren nicht mehr geben. Der Weg ist mühsam, aber absolut notwendig, um erfolgreich zu bleiben", prognostiziert der Vorstandsvorsitzende der Otto Group.



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