Bitkom-Studie 15.10.2021, 07:40 Uhr

Corona-Schub: So digital ist der Handel in Deutschland heute

Der Bitkom hat 500 Groß- und Einzelhändler nach ihren Digitalisierungsaktivitäten befragt. Das Fazit: Es hat sich viel getan, doch die Herausforderungen gerade im stationären Bereich bleiben groß.
(Quelle: Alexander Supertramp/Shutterstock)
Dass die Corona-Pandemie für einen Digitalisierungsschub im Handel gesorgt hat, ist nicht neu. Auch der Digitalverband Bitkom hat nun dieses Phänomen untersucht - und mehr als 500 stationär oder online tätige Groß- und Einzelhändler in Deutschland zu ihren eigenen Erfahrungen und Aktivitäten befragt.
Die Ergebnisse der Studie sind durchaus ambivalent: Einerseits sei der Einzelhandel in Deutschland so digital wie nie, betonte der Bitkom. Dennoch schätzten sich viele Handelsunternehmen als Nachzügler ein, was ihre eigenen Digitalisierungsbemühungen betrifft.

Pflichtprogramm Social Media

Für viele Händler führt schon lange kein Weg mehr an Social Media vorbei. So besitzen mittlerweile zwei Drittel (68 Prozent) der Einzelhändler eigene Profile, um auf sich aufmerksam zu machen. Ein Drittel (34 Prozent) bezahlt für Anzeigen etwa in Form von gesponserten Posts. Insgesamt sind fast drei Viertel (72 Prozent) auf Facebook, Instagram und Co. aktiv – vor zwei Jahren waren es noch 28 Prozent.
Generell verkaufen laut der Umfrage aktuell 85 Prozent der Einzelhändler ihre Waren komplett oder parallel zu einem stationären Geschäft im Internet. 2019 waren es mit 58 Prozent noch deutlich weniger. Insbesondere Plattformen spielen hier eine entscheidende Rolle: Von jenen Händlern, die online verkaufen, bieten drei Viertel (72 Prozent) ihre Produkte und Dienstleistungen auf Online-Marktplätzen oder Online-Verkaufsplattformen wie Ebay oder Amazon an. Vor zwei Jahren waren es erst 46 Prozent.
Wirft man gezielt einen Blick in den stationären Handel, sieht man auch vor Ort eine signifikante Zunahme digitaler Services. An der Kasse beispielsweise bieten mittlerweile 8 von 10 Einzelhändlern (79 Prozent) die Möglichkeit an, bargeldlos via Smartphone oder Smartwatch zu bezahlen. Vor Corona waren es erst 44 Prozent. Auch Kassensysteme werden digitaler und mobiler: Tablet- oder Smartphone-gestützte Kassensysteme waren bei 23 Prozent bereits vor Corona im Einsatz, fast genauso viele (20 Prozent) kamen seitdem hinzu. 27 Prozent der stationären Einzelhandelsunternehmen setzen darüber hinaus Tablet-PCs und interaktive Bildschirme ein, um ihre Kundschaft zu informieren und zu beraten – 13 Prozent waren es vor Corona.
W-Lan im Geschäft (88 Prozent) gehört mittlerweile für die meisten stationären Händler zum Standard (vor Corona: 77 Prozent). Und Loyalitäts- und Bonusprogramme, mit denen man per Smartphone Treuepunkte sammeln kann, gibt es bei 56 Prozent der Einzelhändler (plus 4 Prozentpunkte gegenüber der Vor-Corona-Zeit), wie aus den Umfrageergebnissen hervorgeht.

„Click & Collect“ wird Standard

Vor allem bedingt durch die Lockdowns wurden auch die möglichen Lieferoptionen während der Pandemie sukzessive ausgebaut: So bieten heute 77 Prozent „Click & Collect“ an, gerade einmal 36 Prozent waren es vor der Pandemie. Auch „Dropshipping“ - also wenn die im Laden bestellte Ware direkt durch den Hersteller oder Großhändler an den Kunden geliefert wird - gibt es bei jedem dritten Händler (33 Prozent), das sind doppelt so viele wie noch vor Corona (16 Prozent).
Ob Einzel- oder Großhandel: Fast alle der befragten Unternehmen (91 Prozent) sagen, dass durch die Corona-Pandemie Digitalisierung für ihr Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. Mehr noch: Der Einsatz digitaler Lösungen wird von den meisten als entscheidender Vorteil in der Pandemie gesehen. So sind 8 von 10 Händlern (79 Prozent) der Meinung, dass Handelsunternehmen, deren Geschäftsmodell bereits digitalisiert ist, besser durch die Corona-Pandemie kommen. Gleiches gilt für digitale Geschäftsprozesse, sagen 74 Prozent. 54 Prozent geben an, dass digitale Technologien ihnen helfen, die Pandemie zu bewältigen. Bei 45 Prozent sorgt die Pandemie für einen Innovationsschub.
Dennoch sieht sich der Großteil der Händler (73 Prozent) eher als Nachzügler beim Thema Digitalisierung. Nur ein Viertel (26 Prozent) sieht sich eher als Vorreiter.
Dabei verfolgen bereits 8 von 10 Unternehmen (79 Prozent) eine Strategie zur Bewältigung des digitalen Wandels – etwas mehr als 2019, als es 70 Prozent waren. Weitere 12 Prozent planen die Einführung einer Digitalstrategie, nur jedes zwölfte Handelsunternehmen (7 Prozent) ist in Sachen Digitalisierung bislang nicht aktiv geworden und hat auch nichts geplant.

Unter Druck: Der stationäre Handel muss sich neu erfinden

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Über alle Größen und Handelsbereiche hinweg ist jedes zweite Unternehmen nach eigenen Angaben bislang gut durch die Corona-Krise gekommen (53 Prozent). Ein mit 45 Prozent etwas geringerer Anteil der Händler könne das hingegen nicht von sich behaupten und sei sehr schlecht oder eher schlecht durch die Coronazeit gekommen. Drei von zehn Händlern (29 Prozent) hätten sogar Sorge, Insolvenz anmelden zu müssen.
Viele stationäre Händler stehen - bei allen Digitalisierungsbemühungen - unter besonders großem Druck. Allerdings sei deren Existenz grundsätzlich nicht bedroht, wie ein Großteil der Handelsunternehmen meint. Fast alle Befragten sind der Auffassung, dass der stationäre Handel auch in Zukunft bestehen bleibt, nur zwei Prozent sagen, dass er keine Zukunft hat.
Bitkom-Präsident Achim Berg
Quelle: Bitkom
„Innenstädte sind mehr als Orte des Konsums. Sie sind ein Raum, in dem Menschen zusammenkommen und wo öffentliches Leben stattfindet und dazu gehört auch in Zukunft zwingend der Handel“, so Bitkom-Präsident Achim Berg.
Aber klar ist: Es muss Veränderungen geben. So glauben auch 7 von 10 der befragten Unternehmen (71 Prozent), dass sich der stationäre Handel in den Innenstädten neu erfinden muss.
„Digitale Technologien können bei der Neu- und Wiederbelebung des niedergelassenen Einzelhandels helfen - und viele von ihnen sind inzwischen ausgereift und für wenig Geld am Markt verfügbar“, so Berg. Und weiter. „Es darf nicht darum gehen, Online-Handel und stationären Einzelhandel gegeneinander auszuspielen. Um krisenfest und langfristig erfolgreich zu sein, benötigen Händler zwei Standbeine: vor Ort und im Netz.“



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