700 Mio. Euro Verlust pro Tag 29.03.2021, 12:02 Uhr

Handelsverband schlägt 500-Euro-Einkaufsgutscheine vor

Nach 100 Tagen Lockdown rechnet der Handelsverband HDE mit Umsatzverlusten von rund 40 Mrd. Euro seit Mitte Dezember und schlägt vor, an jeden Bürger 500 Euro auszugeben, um den Konsum anzukurbeln.
(Quelle: Shutterstock/Maria Symchych)
Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht nach 100 Tagen Lockdown einen großen Teil der Nicht-Lebensmittelhändler in existenziellen Schwierigkeiten. Nach wie vor gebe es keine realistische Öffnungsperspektive und die staatlichen Corona-Hilfen seien noch immer nicht ausreichend.
„Viele Nicht-Lebensmittelhändler konnten seit dem 16. Dezember 2020 die Türen ihrer Geschäfte nicht mehr öffnen. Einige durften zwar kurzzeitig mit Terminvereinbarung für ihre Kunden da sein, die Koppelung der Corona-Maßnahmen mit den derzeit steigenden Inzidenzzahlen aber verhindert diese Möglichkeit wohl zeitnah für die meisten wieder. Im Ergebnis sind bis zu 120.000 Geschäfte in Existenzgefahr. Mit den Unternehmen wanken ganze Innenstädte“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Nach seiner Schätzung könnte der vom Lockdown betroffene Einzelhandel seit dem 16. Dezember zwischen 35 und 40 Mrd. Euro Umsatz verloren haben. Die erneute Verlängerung des Lockdowns bis 18. April sorgt pro geschlossenem Verkaufstag für weitere Verluste von bis zu 700 Mio. Euro.
„Wir sehen jetzt das Ergebnis von einem Jahr Corona-Politik mit nicht ausreichendem Impfstoff, fehlenden Testkapazitäten und immer wieder verlängerten Lockdowns. Weite Teile des Handels müssen ihre Türen schließen, obwohl seit Längerem klar ist, dass das Infektionsrisiko beim Einkaufen gering ist“, so Genth. Zuletzt hatten auch Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts und eine aktuelle Studie der TU Berlin gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für Ansteckungen im Einzelhandel eher niedrig ist. Der Untersuchung der Universität zufolge hat die Schließung des Einzelhandels nur eine sehr geringe Dämpfungswirkung auf den R-Wert. Genth: „Die Branche darf nicht weiterhin aus symbolischen Gründen die Hauptlast bei der Bekämpfung der Pandemie tragen. Die Händler brauchen eine zeitnahe und realistische Öffnungsperspektive.“
Der HDE fordert zudem schnelle Aufstockungen bei den Corona-Hilfen für Unternehmen. „Die Gelder stehen nach wie vor weitgehend im Schaufenster der Ministerien und kommen nicht ausreichend dort an, wo sie gebraucht werden.“ Die erneute Verlängerung des Lockdowns habe den Hilfsbedarf weiter erhöht.
In den USA schnürt Präsident Joe Biden ein Konjunkturpaket im Umfang von rund 1,9 Billionen USD (rund 1,6 Billionen Euro), was eine Pauschalzahlung von 1.400 USD für alle US-Bürger bedeutet. Genth plädiert dafür, an jeden Bürger in Deutschland einen Konsumgutschein auszugeben, um die Wirtschaft nach der Krise wieder anzukurbeln. „Ein zusätzliches Einkommen von 500 Euro je Einwohner würde einen Nachfrageimpuls von bis zu 40 Mrd. Euro bedeuten“, erklärte Genth im Handelsblatt.
Die Ausgabe dieser Konsumgutscheine mache aus seiner Sicht dann Sinn, wenn die Pandemie wieder besser unter Kontrolle ist und die Menschen wieder Lust auf einen entspannten Einkaufsbummel haben. Bürger und Unternehmen bräuchten dann ein schnelles und klares Aufbruchssignal für die Zeit nach der Krise. Nach Genths Vorstellung dürfe das zusätzliche Einkommen nicht mit anderen Transfers verrechnet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse der Haushalte schlug er für die Auszahlung ein mehrgleisiges Vorgehen vor. Arbeitnehmer könnten das Geld über die Lohnabrechnung erhalten. Über die Anzahl der Kinderfreibeträge könnten auch Minderjährige erfasst werden. Die Finanzämter würden dann eine Erstattung an die Arbeitgeber vornehmen. Für Rentner wäre eine Auszahlung über die Rentenkasse am einfachsten. Transferempfänger ließen sich über die Arbeitsämter erreichen. Hier sei über das anzurechnende Kindergeld auch die Anzahl der Minderjährigen bekannt. Freiberufler, Selbstständige, andere Unternehmer und sonstige Personen könnten ein ähnliches Antrags- und Auszahlungsverfahren nutzen, wie es für die Soforthilfen an Soloselbstständige entwickelt worden sei. Eine Einzelfallprüfung auf Bedürftigkeit vor der Auszahlung der Konsumgutscheine lehnte Genth als zu bürokratisch ab. Es gehe um ein großes und deutliches Signal für einen Neubeginn nach der Coronakrise. Gewisse Unschärfen müssten dabei wohl oder übel in Kauf genommen werden.



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