40 Mrd. Euro Umsatzverlust 12.05.2021, 12:33 Uhr

Corona-Maßnahmen treffen den Einzelhandel hart

Laut einer aktuellen Umfrage des Handelsverband Deutschland haben die von den Lockdowns betroffenen Händler 2021 bisher rund 40 Mrd. Euro verloren. Unter dem Motto „Zeit zum Handeln“ stellt der Verband nun Forderungen an den künftigen Bundestag.
Leere Fußgängerzonen in allen deutschen Städten sorgten für starke Umsatzverluste beim Einzelhandel.
(Quelle: Shutterstock/ Jan Adler)
Die von den Lockdowns und Geschäftsschließungen betroffenen Branchen im Nicht-Lebensmittelhandel haben in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit rund 40 Mrd. Euro Umsatz verloren. Angesichts dieser dramatischen Zahlen fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) weiterhin Anpassungen und mehr Tempo bei den staatlichen Corona-Hilfen. "Für den Lockdown-Handel war 2021 bis jetzt ein katastrophales Jahr. Die Umsätze liegen in den betroffenen Branchen bis Ende Mai voraussichtlich im Durchschnitt um rund 60 Prozent unter dem Vorkrisenniveau“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Dementsprechend schlecht fällt auch die aktuelle HDE-Umfrage für die Woche vom 3. bis 9. Mai aus. Insbesondere im Bekleidungshandel sehen sich ohne weitere staatliche Hilfen 53 Prozent der Händler in Existenzgefahr, im Schuh- und Lederwarenhandel sind es sogar knapp 60 Prozent. Signale wie eine Öffnung der Geschäfte mit Testpflicht oder Terminvereinbarung seien zwar positiv für die Stimmung, lohnen sich jedoch für viele Geschäfte wirtschaftlich nicht. So sprechen die Händler, die mit Testpflicht geöffnet sind, in der aktuellen Umfrage im Durchschnitt von Umsatzverlusten von beinahe 60 Prozent, beim Shoppen mit Terminvereinbarung liegen die Verluste bei knapp 50 Prozent. Und auch das Shoppen mit Begrenzung der Kundenzahl beschert den befragten Händlern mehr als ein Drittel weniger Umsatz als vor der Krise.
Laut Genth müssten nun die Corona-Hilfen schnellstmöglich komplett ausgezahlt werden, denn 60 Prozent der Händler warten noch auf ausstehende Zahlungen und 60 Prozent der Empfänger von Abschlagszahlungen erhielten weniger als die Hälfte der Auszahlungssumme.

Mehr Unterstützung für größere Händler

Neben der Geschwindigkeit der Hilfe bemängelt der HDE schon seit Monaten zwei wesentliche Lücken: Für inhabergeführte Händler gebe es nach wie vor keine Möglichkeit zur Auszahlung eines Unternehmerlohns. Das zwinge die Unternehmer im Ergebnis, zum Sozialamt zu gehen, um ihren privaten Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für größere Unternehmen fordert der HDE die Aufhebung der Deckelung auf Bundes- und EU-Ebene bzw. einen entsprechenden Schadensausgleich nach EU-Recht. „Größere Händler mit vielen Filialen haben höhere Fixkosten und brauchen mehr Unterstützung“, so Genth. Starre und viel zu niedrig angesetzte Höchstgrenzen für die Auszahlung von Corona-Hilfen pro Unternehmen sorgten im Ergebnis dafür, dass viele Handelsunternehmen keine Chance hätten, die Krise zu überstehen.

Forderungen an die künftige Regierung

Mit Blick auf die im Herbst stattfindende Bundestagswahl stellt der HDE jetzt auch die zentralen Erwartungen des Einzelhandels an den künftigen Bundestag vor. Unter dem Motto „Zeit zum Handeln!“ zeigt der Verband sechs Handlungsfelder auf, vom Neustart nach der Krise über Nachhaltigkeit, Innenstädte, Digitalisierung und freiem Wettbewerb bis hin zur Beschäftigung. Auf der Aktionswebseite Zeitzumhandeln.hde.de sind die Forderungen des Handels zusammengefasst.
 „Die Pandemie stellt den Handel, unsere Gesellschaft und den künftigen Bundestag vor große Herausforderungen. Es ist jetzt Zeit für eine Zukunftsagenda“, erklärt HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Die Parteien müssten zur Bundestagswahl deutlich machen, wie sie die Wirtschaft ankurbeln wollten. Die Politik müsse der Kraft des freien Unternehmertums wieder mehr zutrauen. Neue Regulierungsinitiativen seien keine Lösung, vielmehr gehe es darum, den Handel als drittstärkste Wirtschaftskraft zu unterstützen und so den Wohlstand nachhaltig zu sichern. Gerade in den Innenstädten sei die Lage äußerst angespannt. „Die vergangenen Monate haben ihre Spuren im Einzelhandel hinterlassen. Viele Unternehmen im Nicht-Lebensmittelhandel sind jetzt ganz besonders auf politischen Rückenwind angewiesen“, so Sanktjohanser. Viele Händler kämpften noch immer um ihre Existenz, befänden sich in einer Notlage. Dadurch sei die Vielfalt ganzer Stadtzentren bedroht. „Damit es auch in Zukunft lebenswerte Innenstädte gibt, muss die Politik Anreize für Investitionen in Innovationen und Innenstadtstandorte schaffen“, so der HDE-Präsident.

HDE Online-Monitor 2021

Zu berücksichtigen sei zudem, dass sich der Einzelhandel innerhalb des vergangenen Jahres stark verändert habe. Das machen auch die aktuellen Daten aus dem HDE-Online-Monitor 2021 deutlich. „Die wiederholten Ladenschließungen und die massiven Corona-Einschränkungen beim Einkauf zwangen Kunden und Händler, andere, neue Wege zu suchen. Sehr gut angenommen haben die Verbraucher die Möglichkeit zu Click & Collect. Die Abholung vorbestellter Waren half vielen Händlern dabei, die Lockdowns zumindest ein wenig abzufedern“, so der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Laut HDE-Online-Monitor kennen den Service mittlerweile drei Viertel der Internetnutzer. In 2020 konnten die Händler in Deutschland über Click & Collect einen Umsatz in Höhe von 4,6 Mrd. Euro erzielen. Das entspricht einem Anteil von mehr als sechs Prozent am gesamten Online-Umsatz 2020. 44 Prozent der Internetnutzer geben an, diesen Service 2020 mindestens einmal genutzt zu haben. Die größten Umsatzanteile erzielten dabei Händler aus den Bereichen CE/Elektro (27 Prozent), Fashion und Accessoires (21 Prozent) sowie Freizeit und Hobby (15 Prozent). Daten aus dem HDE-Online-Monitor zeigen, dass sich knapp 60 Prozent der Kunden, die den Service schon einmal genutzt haben, das auch für normale Zeiten ohne Lockdown vorstellen können.

Online-Plattformen wachsen mehr als 40 Prozent

Einen großen Umsatzschub gab es auch beim Verkauf über Online-Plattformen. Das Wachstum lag bei mehr als 40 Prozent. Dadurch erreiche Amazon (mit Marktplatz und Eigenhandel) einen Anteil von 53 Prozent am gesamten deutschen Online-Handels-Umsatz. Auch die Aktivitäten der stationären Händler im Online-Handel seien im vergangenen Jahr weiter angestiegen: 45 Prozent sind nun auch im Internet vertreten. Gleichzeitig sinkt allerdings die Zahl der Händler mit eigenem Online-Shop. Der HDE geht davon aus, dass die Bedeutung von Online-Marktplätzen weiter zunehme.
Insgesamt lag der Umsatz des Online-Handels in Deutschland 2020 bei 73 Mrd. Euro. Das bedeutet einen Zuwachs von fast 14 Mrd. Euro bzw. 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Die Pandemie hat den Trend zur Digitalisierung erheblich beschleunigt. Mit dieser großen Aufgabe darf der Handel nicht alleine gelassen werden“, so Sanktjohanser. Besonders kleine und mittelständische Handelsbetriebe bräuchten Förder- und Beratungsangebote, um in digitale Infrastruktur investieren zu können und den Anschluss nicht zu verlieren.
 



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