Bündnis 90/Die Grünen 06.10.2020, 14:45 Uhr

Katharina Dröge: "Wir wollen Plattformen keinesfalls abschaffen"

Wollen die Grünen den Online-Handel regulieren, um so den stationären Handel zu retten? Diesen Eindruck hinterließ zumindest Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt Anfang September. Die wirtschaftspolitische Sprecherin erklärt nun: Das war alles nur ein Missverständnis.
(Quelle: Katharina Dröge/Cornelis Gollhardt)
Anfang September sorgte die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring Eckardt, in der E-Commerce-Branche für Aufregung. Auf einer Klausur der Grünen-Bundestagsabgeordneten in Berlin wurde sie in den Medien mit den Worten zitiert, man müsse die "Marktmacht" des Warenverkaufs über das Internet zumindest begrenzen. Der klassische Handel sei inzwischen so stark ins Hintertreffen geraten, "dass wir finden, hier muss Regulierung hergestellt werden."
Der bevh als Sprecher des digitalen Handels in Deutschland ließ kurz darauf verlauten, was er von dieser Forderung hielt - nämlich nichts. "Der verbale Angriff auf den Online-Handel zeichnet ein falsches Bild von unserer Branche. Wer den Online-Handel nur auf Plattformen reduziert, verkennt die Vielfalt des E-Commerce mit zahlreichen Angeboten aus dem Mittelstand und Chancen für bislang nur stationäre Handelskonzepte", konterte bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer prompt. Plattformen böten gerade für Einsteiger in den E-Commerce die notwendige Infrastruktur.

Die Monopolisten des Internets

SAZsport wollte genauer wissen, welche Pläne die Bundestagspartei für den deutschen Online-Handel hat und bat Katharina Dröge, Sprecherin für Wirtschaftspolitik und Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, zum Interview.
Diese stellte klar: Ihre Fraktionschefin wurde unglücklich zitiert. Man habe im Fraktionsbeschluss nur die Forderung formuliert, dass die Bundesregierung endlich das Wettbewerbsrecht mit Blick auf die Marktmacht der ganz großen digitalen Plattformen wie Amazon, Google oder Facebook novellieren muss. "Wenn die Monopolisten des Internets strenger unter eine Missbrauchsaufsicht gestellt werden, führt das aus unserer Sicht zu mehr Wettbewerb und mehr Chancen für viele kleine Unternehmen im Online-Handel", so Dröge.
Man wolle Plattformen auch keinesfalls abschaffen. "Das bietet Unternehmen natürlich auch riesige Vorteile und hat den Wettbewerb auch total belebt", so die wirtschaftspolitische Sprecherin. Man wolle die Plattformen nur fairer gestalten.
Wo man auf jeden Fall genauer hinschauen müsse, sei eine faire Besteuerung. "Wenn Amazon und Google durch Unternehmenssitze in Regionen der Welt, wo nicht dieselben Steuern gezahlt werden wie hier, einfach günstiger sein können, dann ist es eine Frage der Gerechtigkeit, sich zu überlegen, wie diese Unternehmen über eine Digitalsteuer einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten. Das haben wir in unserem Fraktionsbeschluss auch so formuliert."

Missbrauchsunabhängige Entflechtung

Die am 10. September von der Bundesregierung beschlossene Gesetzesreform gegen Wettbewerbsbeschränkungen und für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 geht nach Auffassung der Grünen auch noch nicht weit genug.
"Die Bundesregierung sagt, das Bundeskartellamt kann feststellen, dass ein Unternehmen eine überragende marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb besitzt. Und dann kann es sich mit der Frage beschäftigen, dieses Unternehmen reguliert werden könnte. Wir würden der Definition für die marktübergreifende marktbeherrschende Stellung eine direkte Regulierung anschließen", erklärt Dröge.
Zudem würde sie sich wünschen, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht nur auf die ganz großen Plattformen abzielen, sondern auch auf kleinere Player wie beispielsweise die Deutsche Bahn. "Da wären mehr offene Schnittstellen gut, damit es Wettbewerbern erleichtert wird, ihre Angebote anzubieten", so Dröge. 
Schlussendlich plädiert sie auch für mehr Mut in der Frage der missbrauchsunabhängigen Entflechtung oder einfacher gesagt der Zerschlagung. "Es kann sein, dass wir irgendwann zu dem Schluss kommen müssen, dass Plattformen wie Amazon so etwas wie eine Infrastruktur des Internets sind. Viele Händler sind darauf angewiesen, mit ihren Produkten bei Amazon präsent zu sein, weil sie keine andere Chance mehr haben als dort zu verkaufen. In dem Fall müsste man darüber nachdenken, die Verkaufsplattform und den Vertrieb eigener Produkte zu trennen. Deshalb braucht es grundsätzlich eine Regelung im Wettbewerbsrecht, die die Möglichkeit schafft, auch missbrauchsunabhängig zu entflechten", sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin.

Lokale Marktplätze haben eine Chance

Für die Rettung des lokalen Handels schlug die Partei vor, 290 Mio. Euro aus Städtebauförderungsmitteln umzuwidmen für die Digitalisierung des lokalen Handels. "Beispielsweise könnte es lokale Vertriebsplattformen geben, die es den Konsumenten ermöglichen, in ihrer Umgebung die Öffnungszeiten der Läden zu recherchieren oder nachzusehen, ob die die Produkte, die sie brauchen, vor Ort vorrätig haben. Das würde sicher fördern, dass die Menschen weiterhin in lokale Läden gehen", ist Dröge überzeugt.
Dass es bislang wenig Beispiele erfolgreicher lokaler Online-Marktplätze gibt, entmutigt sie nicht. "Wir sehen die Corona-Krise da schon als so etwas wie einen Warnschuss. In der Krise merkten die Händler, dass sie entweder sofort digital werden müssen oder gar nichts mehr verkaufen können. Da ist etwas in Bewegung gekommen. Und das kann man verstärken."



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