Round Table zur Krise 03.04.2020, 12:35 Uhr

Initiative „Händler helfen Händlern“ mit über 2.000 Mitgliedern

Ein hochkarätiger Round Table mit Intersport, BVB, Gerry Weber, Eismann und Rose Bikes diskutierte in einem Digital-Talk über die aktuelle Situation in der Handels- und Sportbranche und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Was sich ändern muss.
In offener Runde diskutierten unter anderen Intersport, Rose und der BVB über die Zukunft des Handels und über nötige Maßnahmen, um die Corona-Krise zu überwinden.
(Quelle: SAZsport)
Markus Diekmann ist bei Bikehersteller- und Händler Rose der digitale Treiber und auch Initiator der Bewegung „Händler helfen Händlern“: Zwei Wochen nach Gründung dieser Gruppe auf der Netzwerkplattform LinkedIn zählt der CEO von Rose (Bocholt) über 2.000 Mitglieder. Es geht ihm um gegenseitige Unterstützung, Information und Ideenaustausch.
Im ersten Schritt ist es das Ziel, Informationen rund um Hilfsprogramme und -fonds von Land, Bund, EU, Banken, KFW oder sonstigen Einrichtungen zu teilen und sich über mögliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Liquiditätsprogramme oder Steuererleichterungen auszutauschen. Im zweiten Schritt soll die Schockstarre schnell überwunden werden, damit man die Krise als Chance sieht, gemeinsam zu handeln und kreativ zu werden und Impulse für neue Businessmodelle sammelt, die den Unternehmen eine Zukunft geben.
In einem Digital-Talk besprach Diekmann jüngst die aktuelle Situation im Handel und den verschiedenen Branchen, Zukunftsaussichten und Maßnahmen, die jeder Händler jetzt ergreifen sollte, um seine Zukunft zu sichern. Sprecher der Diskussionsrunde waren Marcus Diekmann (CEO von Rose Bikes), Carsten Schmitz (CDO von Intersport), Markus Meyer (CDO von Eismann), Matthias Zerber (Geschäftsführer von BVB Merchandising) und Axel Gedat (Aufsichtsratsvorsitzender von Gerry Weber).
„Wir haben knapp 1.500 Geschäfte in Deutschland. Die sind alle geschlossen. Das gleiche Bild haben wir in Österreich. Das tut unseren Händlern natürlich massiv weh“, beklagte Carsten Schmitz von Intersport die Situation im Sportartikelmarkt. „Wir sind eine Genossenschaft. Wir haben selbstständige Kaufleute. Und die haben natürlich nur eine beschränkte Liquidität. Das sind die Sorgen gerade groß. Deshalb ist es wichtig, dass wir sie engmaschig betreuen und gemeinsam in die Liquiditätsplanung gehen. Aber unsere Händler sind kreativ. Jede Krise führt auch dazu, dass die Kreativität bei der Bevölkerung steigt. So ist es auch bei unseren Händlern. Die setzen gerade ganz tolle Dinge auf, wie zum Beispiel Lieferservices, telefonische Beratung, Whatsapp-Gruppen etc., damit sie bei ihren Kunden vor Ort nach wie vor präsent bleiben. Sie treiben uns gerade vor sich her. Und kommen jeden Tag mit neuen Ideen.“ Bei rund 1.000 Händlern sei es eine Herausforderung, das Ganze mit Content für Social Media zu orchestrieren. Nichtdestotrotz bleibt man überwiegend auf der Ware, die man für das Frühjahr eingekauft hat, hocken. Schmitz befürchtet, und er sieht es auch jetzt schon, dass sich gerade die größeren Onliner von diesem Problem auf diese Art und Weise freimachen wollen. Das Telefon von Schmitz steht auf jeden Fall gerade kaum still. Mehrmals die Woche stellt er zusammen mit den Vorständen in Webinaren seinen 800 Händlern die nächsten Schritte vor. Viele Händler stellen jetzt auf digitale Vertriebswege um, damit sie während der Krise wenigstens online verkaufen können. Das Onboarding-Team habe genug zu tun, in den letzten zwei Wochen wurden etwa 40 Händler online geschaltet. Aktuell sind rund 400 Händler an die Online-Plattform von Intersport angeschlossen. „Ich würde mir wünschen, wir könnten unsere Abstimmung nochmal durchführen“, sagt Schmitz mit einem Wink auf die zuletzt gescheiterte Abstimmung über die Finanzierung des Zukunftskonzepts „Best in Sports“ bei der letzten Generalversammlung. Aktuell versendet Intersport versandkostenfrei und auch die Provision wird erlassen, erklärt Schmitz, um die Liquidität in den Handel zu spülen.
Auf die provokante Frage von Diekmann, jetzt nicht 30 Tage, 60 Tage, sondern 300 Tage Zahlungsziel bei Herstellern wie Adidas durchzusetzen, antwortet Schmitz: „Das machen wir. Wir sind da ein bisschen kooperativer. Wir reden natürlich mit unseren Herstellern und Partnern über Valutierung, Storno und Verschiebung von Lieferterminen. Das ist absolut notwendig, weil uns der Warendruck genauso betrifft. Sowohl von den Brands als auch bei den Eigenmarke. Da müssen wir uns sehr gut entscheiden, welche Ware wir annehmen und welche wir nicht anehmen und wie wir ins Gespräch gehen – nicht nur mit den großen Brands. Es sind auch sehr viele kleine dabei“. Rund 650 Brands verkauft Intersport im Moment.
Auch bei Matthias Zerber von Borussia Dortmund sind sieben BVB-Stores geschlossen, für die er weiterhin Miete zahlen muss. So sieht er sich von der Krise genauso betroffen, wie der gesamte Einzelhandel. Für das Merchandising-Geschäft des BVB sieht der Vermarkter in der Verschiebung der Fußball-Europameisterschaft sogar einen Vorteil, weil sich erfahrungsgemäß der Fokus bei großen Events komplett auf die Nationalmannschaft verschiebe. Das Retailgeschäft leidet jedoch massiv: So kommen laut Frequenzmessung bei einem normalen Bundesliga-Spieltag rund 15.000 Menschen in den 2.000 Quadratmeter großen BVB-Store direkt am Signal-Iduna-Stadion.
Rose Bikes hingegen hat als traditioneller Versandhändler in den letzten Jahren rund 80 Prozent seiner Umsätze im E-Commerce erzielt. Rose musste wegen Corona alle seine drei Stores schließen, davon macht allein die Biketown am Stammsitz in Bocholt rund 19 Mio. Euro Umsatz. „Unser großes Glück ist der starke Online-Kanal, der uns zwar derzeit keine Zusatzumwächse in Summe beschert, aber zumindest konnten die Flächenverluste ausgeglichen werden“, erklärt Diekmann, der dem Ausland zeigen will, dass auch Deutschland digital fit ist, dass aber in Zukunft eine noch bessere digitale Infrastruktur hierzulande vonnöten sei.
Der komplette Videostream des digitalen Talks kann hier angesehen werden.



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