Drei zentrale Einwände 31.05.2021, 13:04 Uhr

„Händler helfen Händlern“: Verfassungsbeschwerde gegen die „Bundesnotbremse“

Die Initiative „Händler helfen Händlern“ reicht Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes, der sogenannten „bundeseinheitlichen Notbremse“ ein. Zu den Beschwerdeführern gehören auch Intersport und Engelhorn.
"Händler helfen Händlern" reichen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein.
(Quelle: Shutterstock / nitpicker)
Nachdem die ANWR Ende der vergangenen Woche beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen Teilbereiche des Infektionsschutzgesetzes des Bundes eingereicht hat, folgt nun auch die Pro-Bono-Initiative „Händler helfen Händlern“. Die Verfassungsbeschwerde der Initiative, der sich unter anderem auch Intersport und Engelhorn angeschlossen haben, richtete sich gegen die sogenannte „bundeseinheitliche Notbremse“. in der geregelt wird, dass die Öffnung von Ladengeschäften und Märkten mit Kundenverkehr für Handelsangebote bei Überschreitung der Inzidenz von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen untersagt ist. Die Beschwerdeführer sehen sich durch dieses Gesetz unmittelbar in ihren Grundrechten verletzt und berufen sich vorrangig auf eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG), eine Verletzung des Eigentumsrechts (Art. 14 GG) und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 I GG).
Vertreter der Initiative wollen zugleich deutlich machen, dass es ihnen mit der Verfassungsbeschwerde nicht um eine schnelle Wiedereröffnung aller Läden geht, sondern primär um die Verfassungswidrigkeit der „Bundesnotbremse“. „Der Schutz des Lebens und der Gesundheit des einzelnen hat oberste Priorität. Und die Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeiter stellen wir über jede Öffnungsabsicht – ganz egal, wie hart auch die wirtschaftliche Situation im Handel gerade ist“, erklärt dazu Marcus Diekmann, Initiator von „Händler helfen Händlern“ und CEO von Rose Bikes. Und Intersport-Deutschland-CEO Alexander von Preen führt dazu weiter aus: „Aus diesem Grund haben wir auch von einem Eilantrag unserer Beschwerde abgesehen. Mit unserer Initiative wollen wir nicht in einen Topf geworfen werden mit den vielen anderen Eilanträgen aus dem Handelsumfeld, die allzu forsch auf Wiederöffnung geklagt haben. Wie im Vorfeld angekündigt ist unser Anliegen vielmehr auf die handwerklichen und damit inhaltlichen Fehler im Bundesgesetz hinzuweisen, die in Summe zur Verfassungswidrigkeit führen.“
Die Initiative führt wie folgt ihre Einwände gegen die „Bundesnotbremse“ an:
  1. Verletzung der Berufsfreiheit: Die Händler-Initiative sieht sich in ihrer Berufsfreiheit durch das Bundesgesetz stark eingeschränkt. Außerdem sei nicht zu erkennen, wie dem Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, mit dem Schließen des Einzelhandels Rechnung getragen werde. „Studien des RKI belegen, dass ein etwaiges Ansteckungsrisiko durch die bestehenden Hygienekonzepte im Handel gering ist. Es ist also nicht davon auszugehen, dass durch die Öffnung des stationären Handels das Infektionsgeschehen stark zunehmen würde“, heißt es dazu vonseiten der Initiative.
  2. Verletzung des Eigentumsgrundrechts: Durch das Öffnungsverbot der Ladengeschäfte werde die Möglichkeit des Warenabsatzes beeinträchtigt und teilweise unmöglich gemacht. Hierdurch können erworbene Waren nicht verkauft werden und müssen später zum Teil mit starker Wertminderung verkauft oder sogar vernichtet werden. „Zahlreiche Betriebe sind durch die Ladenschließungen in ihrer Existenz gefährdet. Hierdurch wird in die grundrechtlich geschützte Substanz des Betriebes eingegriffen“, führt von Preen dazu aus.
  3. Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes: Im Infektionsschutzgesetz werden laut der Initiative vergleichbare Geschäfte offensichtlich unterschiedlich behandelt, ohne dass aus einer Gesetzesbegründung ein Sachgrund für diese Ungleichbehandlung ersichtlich sei. „Es ist für uns völlig unverständlich, warum ein Gartencenter unabhängig vom Inzidenzwert öffnen darf, und der danebenliegende Baumarkt schließen muss. Aus Infektionsschutzgesichtspunkten macht diese unterschiedliche Behandlung keinen Sinn und dient definitiv nicht dem Zweck des Schutzes des Lebens und der Gesundheit des einzelnen“, erklärt Diekmann stellvertretend für die Händlergruppe.
„Händler helfen Händlern“ befürchtet außerdem, dass die aktuelle Version des Infektionsschutzgesetzes – obwohl auf die Corona-Pandemie ausgerichtet – auch in Zukunft starke Auswirkungen auf Handel, Gastronomie und Kultur haben könnte. „Wenn wir das Infektionsschutzgesetz eng auslegen, könnte uns in Zukunft jede normale Grippe wieder in den Lockdown schicken. Spätestens das zeigt, dass einige Punkte in dem Gesetz nicht zu Ende gedacht wurden“, so Diekmann.
Die Anträge für die Verfassungsbeschwerde wurden in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und dem Verfassungsrechtler Prof. Dr. Josef Franz Lindner von der Universität Augsburg verfasst und gestellt. Beschwerdeführer sind die EK Servicegroup (Bernhard Schnittker GmbH), Engelhorn, Ernsting‘s family, Intersport Deutschland (Voswinkel und Borgmann Sport), Jeans Fritz, Mister*lady, Rose Bikes, Takko und Tom Tailor.
„Händler helfen Händlern“ stellt den Entwurf der Verfassungsbeschwerde als Muster jedem Händler gegen eine Kostenpauschale zur Verfügung, sodass alle Interessenten diese auf das eigene Unternehmen anpassen und dann selbst Verfassungsbeschwerde einreichen können. „Im Namen unserer Initiative ‚Händler helfen Händlern‘ danken wir Prof. Lindner und auch der Kanzlei Heuking für ihre Expertise und Unterstützung im Rahmen unserer Verfassungsbeschwerde. Nun warten wir gespannt auf die Rückmeldung aus Karlsruhe, um dann entsprechend für alle angeschlossenen Händler die nächsten Schritte zu koordinieren,“ sagt von Preen abschließend.



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