Ziel: Zero-Waste-Produktion 07.12.2020, 15:57 Uhr

Armed Angels setzt mit Kreislaufwirtschaft den Mode-Müllbergen ein Ende

Bis dato landen immer noch 88 Prozent aller Kleidungsstücke am Ende auf dem Müll. SPORTS FASHION by Saz fragte Lavinia Muth, Sustainability Managerin bei der nachhaltigen Modemarke Armed Angels, wie man dieses Problem zukünftig vermeiden kann.
Lavinia Muth, Sustainabilty Managerin Armed Angels
(Quelle: Armed Angels)
SPORTS FASHION by SAZ: Frau Muth, wie wichtig ist das Thema Kreislaufwirtschaft für Sie als Unternehmen heute und vor allem in Zukunft?
Lavinia Muth: Für uns ist Kreislaufwirtschaft die Zukunft! Wir müssen radikal umdenken. 
Seit über 13 Jahren stehen wir bei Armed Angels für Eco und Fair. In der Zeit konnten wir schon richtig viel bewegen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, sowohl was die Suche nach Partnern angeht, die nachhaltig und fair produzieren, als auch was den Einsatz von regenerativen, nachhaltigen Materialien angeht. Doch auch das nachhaltigste Fashionunternehmen verbraucht Ressourcen und generiert Müll! Deswegen werden wir das lineare Modell von Herstellen - Nutzen - Wegwerfen gemeinsam durchbrechen und uns auf den Weg Richtung Kreislaufwirtschaft machen. Denn: 88 Prozent aller Kleidungsstücke landen am Ende auf dem Müll. Das ist sozio-ökologischer Wahnsinn! 
SPORTS FASHION by SAZ: Wie müssen hier Supplier, Hersteller, Händler und am Ende auch die Verbraucher zusammenarbeiten?
Muth: Ohne Zusammenarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette, und damit sind auch die Konsumenten gemeint, wird die Kreislaufwirtschaft nicht umsetzbar sein. Denn Verbraucher kommt eine ganz neue Rolle in der Lieferkette zu, da sie zukünftig auch als Rohstofflieferant fungieren werden, in dem sie durch Take-Back- Systeme ihre ausgediente Kleidung an die Hersteller zurückführen. Es ist total wichtig, dass man bereits in der Designphase den Lebenszyklus des Produktes bedenkt und die Voraussetzungen dafür gelegt werden, dass ein Produkt so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden kann, durch Langlebigkeit, Reparatur-, Wiederverkaufsmaßnahmen oder eben Recycling. Dabei sind auch innovative, klimafreundliche Technologien ein entscheidender Faktor, um die Rückverfolgbarkeit bzw. Zusammensetzung der Materialen transparent zu machen, damit eine erneute Verarbeitung und der Werterhalt möglich wird. 

SPORTS FASHION by SAZ: Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen – wie müssen hier Industrie und Verbraucher zusammenarbeiten?
Muth: Kreislaufwirtschaft – das ist die kommende große Transformation unserer Gesellschaft. Das bedeutet nicht nur, alle Materialien und Produkte in einem geschlossenen Kreislauf zu halten. Sondern auch, die Nutzungsdauer der Produkte zu verlängern, Reparaturlösungen anzubieten, Produkte wiederzuverkaufen. Und das alles am besten auch in einem geschlossenen Produktionskreislauf, im Sinne von erneuerbaren Energien, regeneriertem Wasser- und Chemikalieneinsatz, um es dann dem Recycling zuzuführen. Somit sprechen wir nicht mehr vom Ende eines Produktlebens. Die Herausforderungen sind groß. Für dieses Umdenken braucht es uns alle. Nur gemeinsam können wir einen Unterschied machen. Wir als Unternehmen gemeinsam mit unseren Herstellern können entsprechend Produkte und Services anbieten, aber vor allem auch informieren und aufklären. Und wir alle müssen unser Konsumverhalten überdenken. Deswegen legen wir jetzt los. Wenn uns andere folgen oder wir als Industrie gemeinsam bessere Systeme entwickeln, haben wir mehr erreicht, als wenn wir warten und uns auf den nachhaltigen und fairen Bio-Baumwollshirts ausruhen. Wir und vor allem unser Planet haben keine Zeit mehr zu verlieren. Doch, um den Mode-Müllbergen ein Ende zu setzen, brauchen wir ganz klar als Industrie funktionierende Rücknahme- und Recycling-Systeme. Die meisten befinden sich noch in der Pilot- oder Entwicklungsphase.  

SPORTS FASHION by SAZ: Gibt es ein spezielles Projekt, das sie ins Leben gerufen haben, um das Thema Kreislaufwirtschaft nach vorne zu treiben?
Muth: Wir beginnen – wie könnte es anders sein – mit einem T-Shirt! Im Januar 2021 kommt unser erstes zirkuläres Produkt auf den Markt: unser Circular Tee - ein T-Shirt aus Müll! Bereits jetzt haben wir passend dazu ein Rücknahmesystem gestartet. Das bedeutet, unsere Kunden können uns ihre alten T-Shirts schicken und wir machen Neue daraus. Doch unser oberstes Ziel ist es, Produkte solange wie möglich im Kreislauf zu halten. Das bedeutet für uns: wir wollen dahin kommen, dass Produkte, die wir einmal verkauft haben, repariert oder weiterverkauft werden. Und erst, wenn sie dann keine Verwendung mehr finden, wollen wir daraus neue Produkte herstellen. 
Wir sammeln schon seit zwei Jahren Schnitt- und Spinnreste, um langfristig auf eine Zero-Waste-Produktion umzustellen. Deswegen bieten wir schon jetzt verschiedene Lösungsansätze, wie etwa ausführliche Pflegeanleitungen und Reparaturtipps, an. Es geht darum die Lieblingsteile optimal zu pflegen, damit sie möglichst lange erhalten bleiben. Wir gestalten unsere Produkte langlebig als auch möglichst nachhaltig. Ob das Produkt letzten Endes diese Eigenschaften erfüllen kann, liegt auch in der Hand des Verbrauchers. 
Wenn wir über Zirkularität sprechen, ist Langlebigkeit der Produkte ganz entscheidend. Das fängt mit Qualität und Design an. Da setzen wir im ersten Schritt an. 
 
SPORTS FASHION by SAZ: Wie weit ist denn heute hier schon die Entwicklung?
Muth: Wir beginnen erstmal mit T-Shirts. Dies ist unser erster Testlauf! Die Produktion läuft aktuell, unsere Kunden können sich ab Dezember auf die Warteliste auf unserer Website setzen und Anfang nächstes Jahres wird ausgeliefert. Aber in Zukunft wollen wir sowohl das Take-Back System als auch die Produktion auf weitere Produktgruppen ausweiten. Denn schon jetzt sind all unsere Produkte aus regenerativen Materialien und fast alle aus Monomaterialien, d.h. aus quasi einer Faserart. Also können sie theoretisch recycelt werden. Wir haben aber einen ganz klaren Plan: vollständig zirkulär zu werden, d.h. nur noch zirkuläre Produkte und Lösungen anzubieten, die den Kreislauf schließen.

SPORTS FASHION by SAZ: Worauf muss man speziell achten, auch wenn es um das Thema Recycling geht?
Muth: Zuallererst: Recycling ist nur ein Teil der Lösung. Dennoch sollte schon bei der Auswahl der Materialen sichergestellt werden, dass diese recyclingfähig sind. Der gesamte Designprozess muss ebenfalls dahingehend optimiert werden. Schon jetzt sind unsere Produkte aus regenerativen Materialien und fast alle aus Monomaterialien, können also theoretisch recycelt werden. Darüber hinaus sollten alle Produkte so gestaltet werden, dass nicht nur der Stoff oder das Garn recycelt werden kann, sondern dass auch beispielsweise Reißverschlüsse und Knöpfe leicht abnehmbar sind, und wiederrum einem technischen Kreislauf zugeführt werden können. Und, genau das ist das Ziel: Produkte immer weiter im Kreislauf zu halten. Auch unser Circular Tee kann und soll am Ende des Lebenszyklus wieder eingesammelt und zurück in den Kreislauf gegeben werden. Beim mechanischen Recyclingprozess werden aber tatsächlich die Fasern immer etwas kürzer, so dass auch dieser Prozess endlich ist. Nach aktuellem Wissensstand können Zellulosefasern zwischen fünf bis sieben Mal recycelt werden. Aber auch da sind wir gemeinsam mit unseren Partnern daran, diese Werte zu verbessern.



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