Jan Lorch auf dem Sporthandelskongress
Quelle: SAZsport
Interview auf dem Sporthandelskongress
 
16.10.2023, 11:55 Uhr

Kreislaufwirtschaft: So stellt sich Jan Lorch von Vaude Zusammenarbeit vor

Es ist eines der wichtigsten Themen für die Branche – doch wie aufziehen? Im Interview erklärt Jan Lorch (Vaude/BSI), wie die Kreislaufwirtschaft gemeinsam vorangebracht werden kann. Und er spricht über Kritik aus dem Handel.
Jan Lorch war unter den 200 Besuchern des diesjährigen Sporthandelskongress von SAZsport. Grund genug, dem Chief Sales Officer von Vaude und Leiter der Fachgruppe Outdoor innerhalb des BSI dort ein paar Fragen zu stellen. Auch zu einem durchaus heiklen Vorwurf aus dem Handel an Teile der Outdoor-Industrie.

 

SAZsport: Herr Lorch, wir haben auf dem Sporthandelskongress viel über eine Zusammenarbeit von Industrie, Handel und Verbänden gehört, was das Thema Kreislaufwirtschaft angeht. Wie könnte und sollte diese aus Ihrer Sicht idealerweise ablaufen?

 

Jan Lorch: Das Thema Kreislaufwirtschaft hat verschiedene Aspekte. Jeder der Akteure, die Sie gerade genannt haben, nimmt hier unterschiedliche Rollen ein. Der BSI könnte gemeinsame Projekte initiieren zwischen verschiedenen Industrie- und Handelspartnern, die sich darauf committen, ein Rücknahmesystem von Produkten ins Leben zu rufen, die recyclingfähig sind. Das sind bei Weitem nicht alle, weil es sehr viele Kriterien gibt, die ein Produkt als reycylingfähig darstellen lassen oder nicht. Dieses Projekt könnte dann darin münden, dass man Ware sammelt und diese mit dem Partner aus der Stoffherstellung verarbeitet. Das wäre ein Textile-to-Textile-Recycling, wo aus gebrauchten Outdoor-Textilien wieder neue Textilien entstehen, die man gemeinsam vermarktet. Der Handel ist dazu aufgerufen, die Teile zu sammeln, und die Partner aus der Industrie würden die dann verwenden, um gemeinsam in einer Art Pilotprojekt zum Beispiel ein Vlies zu machen. Hierbei würde man einfach mal ein Statement nach außen setzen, sich mit einem Produkt des Themas anzunehmen. Aber ganz wichtig noch: In diesem Partnerschaftsmodell brauchen wir auch die großen Kollektoren wie Noventiz oder Interzero, die die Textilien sammeln und wieder der Verwertung zuführen. Unserer Erfahrungen sind – und die wurde ja auch hier auf dem Kongress geteilt: Die Masse an Leuten wird nicht ins Sportgeschäft kommen, um ihre gebrauchte Ware abzugeben. Das muss dann über die Wertstoffhöfe passieren – oder eben über die textile Tonne, die ja kommen soll. Der richtige Push wird aber durch die EU-Gesetzgebung erzeugt. Die könnte verlangen, dass ein Sammelsystem eingerichtet wird. Bisher haben wir nur eines für Flaschen und Papier.   

 

SAZsport: Wie viele Produkte von Vaude sind mittlerweile kreislauffähig?

 

Lorch: Wir nennen diese „Rethink“. Bisher sind das vielleicht zehn oder zwölf. Das darf ja kein Blend sein, es muss mechanisch recyclebar sein, mit der derzeitigen Technik. Chemisches Recycling ist teilweise ja umstritten, vielleicht kommen wir aber gar nicht darum herum.

 

SAZsport: Auf dem Kongress ist auch über Geschäftsmodelle wie Reparaturservice und Verleih gesprochern worden. Können wir uns solche im großen Stil wirtschaftlich leisten? Industrie und Handel werden dadurch Mengen und womöglich Umsätze verlieren, und das in einem mittlerweile gesättigten Markt …

 

Lorch: Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an solchen Leihprodukten steigen wird – gerade seitens der jüngeren Kunden. Natürlich muss man sich solche Dienstleistungen bezahlen lassen. Das Verleihmodell muss so gerechnet werden, dass es rentabel ist. Das wird eine Herausforderung. Ich sehe dieses Thema aber nicht nur für den Handel, sondern auch füt die Industrie. Dabei muss man IT-gestützte Prozesse abbilden – was nicht einfach ist. Diese funktionieren nicht immer, wie wir gehört haben (Anm. d. Red.: Jan Lorch spielt dabei auf ein gescheitertes Projekt von Sport Conrad und Ortovox an, das Stefanie Buchacher, Nachhaltigkeitschefin beim oberbayrischen Händler, kurz erwähnt hatte.) Auch das Thema Reparatur ist anspruchsvoll. Und noch anspruchsvoller ist es, daraus ein rentables Businessmodell zu machen. Wir reparieren seit 40 Jahren. Das ist eine Dienstleistung, mit der wir keine schwarzen Zahlen schreiben. Letzten Endes sind solche Services eine Kunden- und Markenbindungsmaßnahme.

 

SAZsport: Nimmt Vaude mit einem solchen Verleihservice dann in Kauf, dass weniger Rucksäcke, weniger Zelte verkauft werden?

 

Lorch: Ob die Mengen nach unten gehen, ist die Frage. Ich glaube: Du nimmt als Marke größeren Schaden, wenn du solche Dienstleistungen nicht anbietest. Wir schreiben uns das Thema Nachhaltigkeit stark auf die Fahne. Dann ist so ein Service auch eine Sache der Glaubwürdigkeit. 

 

SAZsport: Es sind immer wieder Klagen aus dem Handel zu hören, dass viele Outdoor-Hersteller nicht mehr wüssten, was draußen auf der Fläche vor sich gehe. Die würden so in ihrer eigenen Bubble leben, heißt es. Was sagen Sie dazu?

 

Lorch: Ein paar Jahre lang haben bestimmte Marken das Thema D2C stark gespielt – auch aus dem Outdoor-Bereich. Ich denke, dass sich das Blatt in den letzten zwölf Monaten gewendet hat. Diese Marken sind ganz schön zurückgerudert, weil sie gesehen haben, dass ein eigener Store oder Webshop auch Geld kostet und die Marge nicht gleich doppelt so hoch ist, weil der VK statt dem EK erlöst werden kann. Jetzt findet eine große Rückbesinnung auf den Handel statt – auch von sehr großen Marken. Wir bei Vaude haben immer gebetsmühlenartig formuliert, schon während der Corona-Krise: Der stationäre Fachhandel bleibt ein wichtiger Partner. Wir haben aber auch keinen großen Shift in der Strategie machen müssen, weil wir bei unserer Linie geblieben sind, dass wir den Kunden mit seinen Bedürfnissen dort abholen müssen, wo er einkaufen möchte. Und was die Betreuung der Fachhandelskunden angeht: Wir haben unseren Außendienst nie abgebaut, sondern eher sukzessive verstärkt – plus Key Accounting. Damit sind wir ganz nah am Handel dran und wissen, was diesen bedrückt.

 

SAZsport: Jetzt ist aber auch Vaude mit Monomarken-Stores aktiv …

 

Lorch: Eigentlich nicht. Wir arbeiten mit Franchisern wie Reischmann oder Räpple. Das Einzige, was bei uns Monomarke ist, sind die Outlets. Die brauchen wir auch, um Ware aus dem Handel oder von den Franchisern abzuschleusen. Wir haben seit zehn Jahren drei Outlets in Deutschland plus ein kleines. Eines wurde in der Schweiz eröffnet, das hat aber mit den Spezifika des Marktes dort zu tun (Stichwort Verzollung).

 

SAZsport: Deutscher Markt, Großhandelsgeschäft vs B2C – wie stellen sich die Umsatzanteile bei Vaude dar?

 

Lorch: 90 zu 10. Der Own-Retail-Anteil wird langsam wachsen, vielleicht auf 15 Prozent. Dafür werden wir dann aber fünf Jahre brauchen.    

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