Martin Esslinger
Quelle: SAZsport
Interview auf dem Sporthandelskongress 11.10.2023, 12:48 Uhr

Martin Esslinger von Ortlieb: „Das oberste Ziel kann nicht Wachstum sein“

Wie wird sich der Outdoor-Markt bis in zehn Jahren entwickeln? Martin Esslinger, Geschäftsführer von Ortlieb, wagt eine Prognose – und erklärt auch, wie er sich die Zusammenarbeit der Branche beim Thema Kreislaufwirtschaft vorstellt.
Der Sporthandelskongress von SAZsport beschäftigte sich in diesem Jahr damit, wie wir 2033 einkaufen, arbeiten, leben werden. Dass im Outdoor-Markt bis dahin noch die großen Wachstumssprünge machbar sind – daran glaubt Martin Esslinger, seit gut zweieinhalb Jahren Geschäftsführer bei Ortlieb (gemeinsam mit Gründer Hartmut Ortlieb), nicht so wirklich. Und er betont im Interview, dass dies auch gar nicht das oberste Ziel sein könne.  

 

SAZsport: Herr Esslinger, wenn wir Richtung 2033 schauen – wie sehen Sie den Outdoor-Markt, was das Wachstumspotenzial angeht?

 

Martin Esslinger ist seit 2018 für den Taschenhersteller Ortlieb tätig, seit Frühjahr 2022 ist er für die operative Geschäftsführung des Unternehmans verantwortlich.
Quelle: Ortlieb
Martin Esslinger:
Grundsätzlich sind wir aktuell in einer Phase der Konsolidierung, die sicherlich auch noch so weitergehen wird. Wir sehen, dass nach der Boom-Phase zu Corona-Zeiten, in der es einen „Überkonsum“ gab, jetzt eine Sättigung vorhanden ist. Langfristig gedacht werden wir nicht mehr auf diesen großen Wachstumspfad zurückkehren. Ein nachhaltiges Wachstum ist aber definitiv weiterhin möglich – länderspezifisch. In USA kommt das Thema Übergewicht stark in den Fokus, Teile der Gesellschaft sind dort sportlich noch gar nicht aktiv. Bei den jüngeren Generationen wird Bewegung immer wichtiger. Da entsteht ein zusätzliches Potenzial an Menschen, die sportlich aktiv werden.

 

SAZsport: Konsolidierung bedeutet aber auch, dass der eine oder andere Outdoor-Händler wegfallen wird …

 

Esslinger: Definitiv. Die Händlerstruktur wird schon jetzt dünner, viele Unternehmen können den Generationenwechsel nicht stemmen. Und wir haben auch das Thema: Wenn es einem stationären Händler nicht gelingt, seine Nische zu finden, sich weiterzuentwickeln, dann wird er seine Daseinsberechtigung verlieren. Das Geschäft wird sich ein Stück weit auf diejenigen, die moderne Einkaufs- und Warenerlebnisse spielen, konzentrieren. 

 

SAZsport: Jetzt haben wir auf dem Sporthandelskongress gehört, wie wichtig es sein wird, das Thema Kreislaufwirtschaft voranzubringen. Wichtige Geschäftsfelder hierbei können ja auch ein Verleih und der Reparaturservice von Produkten sein. Jetzt haben Hersteller und Händler Wachstumsdruck, es geht um Umsätze, die erzielt werden müssen/sollten. Durch Verleihen und Reparieren werden wir zumindest mal Verkaufsmengen verlieren. Können diese Services eher Fluch oder Segen für euch sein?

 

Esslinger: Natürlich haben auch wir Wachstumserwartungen und -pläne. Da wir aber ein inhabergeführtes Unternehmen sind, forcieren wir ein stetiges nachhaltiges Wachstum. Es war schon immer Teil unserer Strategie, die Produkte im Entwicklungs- und Designprozess so anzulegen, dass sie möglichst langlebig und reparierfähing sind. Wir haben Modelle, die nach 15 oder 20 Jahren zur Reparatur kommen. Natürlich wäre es angebracht, dem Kunden eine neue Tasche zu verkaufen – rein aus Umsatzsicht. Aber es gibt eben viele Menschen, die sagen: Ich habe eine Geschichte mit meiner Tasche. Und wenn wir es schaffen, diese zu reparieren, diesen Mehrwert als Marke zu bieten, dann wird der Kunde zum Markenbotschafter. Deswegen forcieren wir auch die Schulungen unserer Händler zum Thema Reparatur, damit diese direkt lokal erfolgen kann. Über das Thema Verleih – dann im Verbund mit dem Handel – haben wir bereits nachgedacht, allerdings noch keine klare Strategie. Dies aufzuziehen, wird nicht ganz so einfach sein. Wir sollten als Marke aber dort präsent sein. Dass dieser Service sozusagen umsatzverdrängend sein wird, ist klar. Das haben wir auch schon in anderen Branchen gesehen. Wir werden aber nicht darum herumkommen. Grundsätzlich müssen wir alle in der Outdoor-Branche – seien es Hersteller oder Händler – unsere zukünftigen Strategiepläne so ausrichten, dass sie nachhaltig sind. Und dabei kann das oberste Ziel nicht Wachstum sein.

 

SAZsport: Ein großes Thema auf dem Kongress war natürlich auch die Zusammenarbeit von Industrie und Handel. Wie stellen Sie sich diese bei Kreislaufwirtschaft vor?

 

Esslinger: Leider gibt es nach wie vor sehr viele unterschiedliche Interessen. Wir haben schon gute Initiativen, aber wenn wir unterschiedliche Kreisläufe aufbauen, die aneinander vorbeilaufen, dann wird diese Kreislaufwirtschaft langfristig nicht funktionieren. Das ist eine riesige Herausforderung, die wir nur stemmen können, wenn wir das Thema zentralisiert über Verbände laufen lassen – gemeinsam mit Hersteller und Händlern. Dabei müssen wir uns auf einen gemeinsamen Weg committen. Gleichzeitig müssen aber auch alle Beteiligten die Chancen haben, sich diesem anzupassen. Beispielsweise ist es wichtig, dass wir uns verständigen, welche Materialien wir in Zukunft nutzen möchten, damit wir gemeinsam in diesen Kreislauf gehen können. Da gibt es noch jede Menge Diskussionsbedarf und ein Aufeinander zugehen.

 

 

           

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