CEO Harald Lemmerer im SAZsport-Gespräch 06.12.2023, 09:54 Uhr

Wie Geomix nach dem Absturz wieder zu alter Form finden will

Im neuen Jahr wird der österreichische Online-Händler Geomix den Neustart wagen. Dabei soll der Fokus nur noch auf dem Fußball liegen. CEO Harald Lemmerer hat aus der Insolvenz vor allem einen wichigen Lerneffekt gezogen – und der betrifft einen ehemaligen Partner.
Blickt mit Geomix optimistisch auf den Neustart im nächsten Jahr: CEO Harald Lemmerer (43, Archivbild).
(Quelle: Sport 2000/Daniel Hinterramskogler)
Das Führungsteam von Geomix um CEO Harald Lemmerer (43) wird in der Vorweihnachtszeit so einige Reisemeilen zurücklegen. Vom steirischen Liezen aus, dem Headquarter des Unternehmens, geht es erst einmal ins schwäbische Mulfingen zu Jako, dem folgt ein Trip nach Herzogenaurach, um jeweils bei Adidas und Puma vorstellig zu werden. Dann wird Nike im niederländischen Hilversum ein Besuch abgestattet, und den Abschluss der Tour bildet Wien, wo Erima einen Showroom betreibt.

 

Absoluter Fokus aufs Fußballgeschäft

 

Warum der Online-Teamsport-Spezialist diesen hohen Aufwand betreibt, hat mit der jüngeren Geschichte des Unternehmens zu tun: Im Frühsommer dieses Jahres hatte dies Insolvenz anmelden müssen. Der Senkrechtstarter des Fußballgeschäfts war schwer abgestürzt; es hätten nicht mehr allzu viele Millionen gefehlt im besten Geschäftsjahr 2022, und es wären die 100 Mio. Euro Umsatz geknackt worden. Jetzt ist Geomix auch gefordert, das Vertrauen der Lieferanten zurückzugewinnen. Mit den fünf genannten wollen Lemmerer und seine Mannschaft einen Neustart ab dem 1. Januar 2024 wagen. Der absolute Fokus soll auf dem Fußball liegen – die im Webshop angebotenen Sortimente aus den Bereichen Running, Training und Lifestyle werden nicht mehr abgedeckt. Bei der Besuchstour, so erklärt Lemmerer im Gespräch mit SAZsport, gehe es darum, „unsere wichtigsten Partner persönlich über unsere zukünftige Ausrichtung zu informieren und eine gemeinsame Zukunft zu planen. Die Gespräche sind nie abgerissen. Wir freuen uns, diese nun auch persönlich vor Ort in großer Runde führen zu können, um all unsere Partner bestmöglich abholen zu können.“ Welche und wie viele Investoren an Bord geholt wurden, die weiterhin an Geomix und das Konzept glauben, möchte Lemmerer nicht verraten. „Es wurde ausreichend Kapital aufgestellt, um den Sanierungsplan erfüllen und die strategische Neuausrichtung zu planen“, bemerkt der CEO nur.



Tactix soll der „Türöffner“ sein

 

Dass der Online-Händler von den beiden großen Lieferanten Adidas und Nike nach wie vor als Top-Account gesehen und behandelt wird – daran hat Lemmerer keinen Zweifel. Der Grund, warum Geomix glaubt, für Lieferanten wie diese hoch attraktiv sein zu können, liegt in einer vor ein paar Jahren entwickelten Innovation namens „Tactix“. Damit hat das Unternehmen das Thema Digitalisierung in die Mannschaftskabinen gebracht. Es handelt sich hierbei um ein Ökosystem aus App, Bildschirm und Abholstation von Ware auf dem Vereinsgelände. Ersetzt wird die klassische Taktiktafel, in der vom Trainer die Aufstellungen und Spielzüge ganz klassisch  hingekritzelt werden. Über Tactix lässt sich dann auch das Fußballsortiment einkaufen. „Es gibt aktuell keinen Account im Teamsport, der so etwas anbieten kann wie wir. Tactix ist eine digitale Innovation für den Amateur-Teamsport, die weltweit einzigartig ist “, bemerkt Lemmerer, der diese Innovation nicht nur bei den angesprochenen Lieferanen, sondern auch bei den Vereinen als „Türöffner“ sieht.

In seiner eigenen neuen Aufstellung hat Geomix nun Strukturen mit einem Vertriebsteam geschaffen, das sich ausschließlich auf diese Kunden konzentrieren soll. Grundsätzlich wird der Online-Händler erst einmal weniger Mitarbeiter beschäftigen als vor der Insolvenz. Doch schon im Laufe des Jahres 2024 soll das Team wieder anwachsen. „Das Businessmodell, das wir verfolgen, ist noch service- und personalintensiver als zuvor“, erklärt Lemmerer. „Wenn du mit Vereinen arbeiten möchtest, dann brauchst du Leute, die vor Ort betreuen, die im Inndienst ihre verlässlichen Partner für eine rasche Auftragsabwicklung haben und die sich auf eine leistungsfähige Logistik sowie eigene Drucktechnikzentren verlassen können. Diesen Aufwand wollen wir betreiben, um maximales Service bieten zu können. Im Gegenzug reduzieren wir die Marketing-Aufwendungen, da der endkundenorientierte E-Commerce Bereich redimensioniert wird. Auch die Logistikkosten verhalten sich anders. Denn bei kompletten Teamausstattungen hat die Logistik einen anderen Effekt, als wenn kleinteilige Kundenbestellungen mit durchschnittlichen Warenkörben von 50 Euro versendet werden.“ Heißt also: Das Konsumentengeschäft wird nicht aufgegeben, aber doch etwas zurückgefahren. Der Fokus liegt klar auf den Vereinskunden.

 

Hohe Rabatte, hoher Lagerdruck

 

Dass Geomix derart in Schieflage geraten ist, hat laut Lemmerer auch nichts mit dem Vereinsgeschäft zu tun. Und die hohen Rabatte, die den Vereinen gegeben wurden, mit der Profitabilität nur schwer möglich sein kann? „Das waren sicher nicht die aggressivsten Konditionen am Markt“, betont der CEO. „Wenn man den Markt kennt, dann weiß man, dass sicher höhere Rabatte gegeben wurden als von uns.“  In Richtung der Vereine habe Geomix preislich nicht so aggressiv agiert wie im Online-Shop. Zumal über 90 Prozent der Umsätze aus dem Web gekommen seien. Es musste für die Google- und Facebook-Werbung durch deren Preiserhöhungen immer mehr Geld investiert werden. „Du bist den großen IT-Konzernen in gewisser Art und Weise ausgeliefert, da du als E-Commerce Pure Player nicht auf ihren Traffic verzichten kannst, weil du ansonsten nichts mehr verkaufst“, weiß Lemmerer. Aufgrund aller externer Faktoren (= sämtliche Krisen, Kaufzurückhaltung) habe sich ein gewisser Lagerdruck in der gesamten Branche aufgebaut. Die Rabatte am Markt seien immer höher geworden. Dadurch sei eine Abwärtsspirale entstanden. Dass der Online-Händler den Vereinen zusätzlich zu hohen Rabatten auch noch eine Rückvergütung auf den VK-Umsatz von bis zu zehn Prozent gewährt hatte, wie aus deutschen Händlerkreisen zu vernehmen war, war laut Lemmerer nicht der Fall. Man bringe andere Punkte ein, mit denen man die Vereine überzeugen wolle.

 

Partnerschaft mit SC24.com war ein Fehler

 

Diverse Krisen, das schwächelne Konsumentengeschäft mit geringer Profitabilität – vordergründig Ursachen für den Absturz von Geomix. Tatsächlich sieht Lemmerer den ausschlaggebenden Grund aber in der Kooperation mit der SC24.com AG. Er bezeichnet es im Nachhinein als großen Fehler, diese Partnerschaft eingegangen zu sein. Diese hatte in Abstimmung mit der Industrie ihre Vorordervolumen über Geomix eingekauft – und dabei auch hohe Orders in Bereichen platziert, die nicht im Zentrum von Geomix standen. „Teilweise auch bei Marken, die wir nicht forciert haben“, wie Lemmerer hinterher schiebt. „Wir hätten Ware in Millionenhöhe bekommen, die für uns nach der Insolvenz der SC24.com AG nicht mehr relevant gewesen wäre. Die Sanierung war die einzige Möglichkeit, dieses existenzgefährdende Risiko von uns abzuwenden“, erklärt er.  Lemmerer geht sogar so weit zu sagen: Hätte es die Kooperation nicht gegeben, dann wäre Geomix in der Lage gewesen, die eigene Krisenzeit zu bewältigen – und nicht in die Pleite geschlittert. „Wenn wir zukünftig noch einmal irgendwo eine Partnerschaft eingehen, dann definitiv nur mit authentischen Partnern, sprich die nur im Fußballbereich tätig sind“, beschreibt Lemmerer einen der großen Lerneffekte aus der Insolvenz.

 

Rückkehr als Mitglied zur Sport 2000?

 

Apropos Partnerschaft: Im Zuge der Insolvenz war Geomix aus der Zentrasport Österreich ausgetreten (= Sport 2000 Österreich). „Um die Möglichkeit zu haben, nach dem Sanierungsverfahren der Zentrasport auch wieder in direkte Lieferantenbeziehungen mit den Marken eintreten zu können“, wie Lemmerer betont. „Ansonsten wären direkte Gespräche mit der Industrie durch das bestehende Vertragsverhältnis mit der Zentrasport schwer möglich gewesen.“ Stellt sich Frage, ob das Unternehmen wieder Mitglied werden will (und kann) – zumal die Zukunft der selbst insolventen Zentrasport in der für den 11. Januar 2024 anberaumten Genossenschaftsversammlung entschieden wird. Bleibt man weiter eigenständig oder schließt man sich der Sport 2000 GmbH in Mainhausen an? Ob es so oder so kommt – für Lemmerer ist klar: Geomix wolle sich alle Möglichkeiten offen halten. Aber: „Eine Mitgliedschaft in einem Verband ist für uns nicht zwingend notwendig“, betont er. Es gäbe genug Beispiele europaweit, wo Teamsport-Spezialisten auch ohne Verbandsmitgliedschaft erfolgreich arbeiten. So sieht Lemmerer dieses Thema eher als „perspektivisch“. Jetzt steht ohnehin die strategische Neuausrichtung im Fokus,Geomix muss seine Hausaufgaben erst einmal selbst erledigen – und den Lieferanten zeigen, dass der Vertrauensvorschuss dafür gerechtfertigt ist. 

3 Monate, 9,90 Euro, das volle Digital-Programm

Sie wollen mehr Wissen? Jetzt SAZsport DigitalPlus testen!
    • Alle Plus-Artikel auf SAZsport.de
    • Aktuelle Ausgaben als ePaper
    • Zugang zum Online-Archiv mit allen vergangenen Ausgaben
    • Monatlich kündbar