SAZsport-Experten 23.06.2017, 07:29 Uhr

Umweltgefährdende Chemikalien in der Sportartikelindustrie

Noch immer setzen Hersteller bei der Textilproduktion gefährliche und die Umwelt verschmutzende Chemikalien ein. Nur wenn alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehen, sind Veränderungen möglich. Es ist jedenfalls höchste Zeit zu handeln.
Zur ISPO Anfang Februar haben Greenpeace und Gore eine Pressemitteilung zum Thema PFC (Per- und Polyfluorierte Chemikalien) herausgegeben. Demnach will „Gore Fabrics in seinen Outdoor-Produkten künftig ökologisch bedenkliche PFCs beseitigen “.
Diese Meldung ist deswegen bemerkenswert, weil laut Deutschem Umweltbundesamt „PFC (….) kaum abbaubar sind und (…) daher für einen sehr langen Zeitraum in der Umwelt verbleiben. Sie reichern sich in der Umwelt sowie in Organismen an und wirken zudem gesundheitsschädlich auf den Menschen.“
Ungefähr zeitgleich hat die Zero Discharge of Hazardous Chemicals Foundation (ZDHC) ihre im Dezember 2016 veröffentlichte Abwasser-Richtlinie für die Textil-und Schuhindustrie bei 25 Herstellern pilotiert. Diese umfangreiche, vom Verfasser dieses Artikels mitentwickelte Richtlinie enthält neben Grenzwerten für konventionelle Abwasserparameter wie Chemischen Sauerstoffbedarf (CSB), Biologischen Sauerstoffbedarf (BSB) oder Farbigkeit auch die elf als besonders gefährlich kritisierten Chemikaliengruppen der Detox-Kampagne von Greenpeace.
Also Problem erkannt und gelöst? Leider noch nicht. Auch im Fall von Gore, der als Marktführer im Bereich wasserdichte Materialien einen sehr großen und auch mutigen Schritt wagt, wird deutlich, dass sich die Suche nach Ersatz für die PFC-Technologie bei Vorprodukten zur Outdoor-Bekleidung (Laminaten) noch bis Ende 2020 und teilweise sogar bis Ende 2023 hinziehen wird.
Nicht viel anders verhält es sich mit der erwähnten ZDHC-Abwasserrichtlinie. Für die erste Runde der danach vorgeschlagenen Abwassertests haben sich einige Marken gemeldet, darunter die an der Erstellung der Richtlinie beteiligten Unternehmen Nike, Inditex und Puma. Bis Ende des Jahres will die überwiegende Mehrheit der 23 ZDHC-Mitgliedsunternehmen ihre Zulieferer nach dieser Richtlinie testen lassen. Auf der Website des chinesischen NGO Institute of Public & Environmental Affairs (IPE) sind für 2016 sogar knapp 1.000 Detox-Abwassertests gelistet. Allerdings erscheint auch diese Zahl im globalen Kontext relativ gering, zumal ein einzelner Testbericht noch lange keine Garantie für die permanente Einhaltung von Abwasserstandards ist. Und dann gibt es ja auch noch potenzielle Emissionen gefährlicher Chemikalien aus Abluft, Klärschlamm oder teilweise sogar Endprodukten.
Was also tun? Ich denke, es ist Zeit zu handeln! Um den Einsatz von umweltgefährdenden Chemikalien in der Sportartikel-, aber auch der Textil- und Schuhindustrie dauerhaft zu verhindern, bedarf es einer konzentrierten Anstrengung vieler beteiligter Akteure, beispielsweise im Rahmen der Sustainable Apparel Coalition oder der ZDHC.
Marken und Handelsunternehmen sollten sich ihrer Verantwortung für globale Umweltverschmutzung bewusst werden und sich einer der vorhandenen Brancheninitiativen zu diesem Thema anschließen. Das Ziel, den Ausstoß sämtlicher umweltgefährdender Chemikalien innerhalb der Sportartikelindustrie zu verhindern, ist schon im Zusammenschluss auf Industrieebene sehr ambitioniert. Alleingänge einzelner Unternehmen erscheinen da nahezu chancenlos.
Hersteller sollten die Zeichen der Zeit erkannt haben und – wo immer möglich – auf den Einsatz von besonders gefährlichen Chemikalien verzichten. Wo ein Verzicht heute noch undenkbar ist, sollten Hersteller transparent darüber berichten und in enger Abstimmung mit ihren Kunden und Chemielieferanten an Lösungen arbeiten.
Auch der Chemieindustrie fällt eine Schlüsselrolle zu. Ohne funktionierende und bezahlbare Substitute für PFCs, Phthalate, Dimethylformamid (DMFa) usw. wird es keinen globalen Durchbruch für saubere Lösungen geben. PFC-freie und wasserabweisende Beschichtungen sowie wasserbasiertes Polyurethan (als Ersatz für DMFa) sind bereits in größeren Mengen erhältlich, momentan aber noch teurer und teilweise in den Einsatzmöglichkeiten beschränkt.
Die Weckrufe der Zivilgesellschaft waren und sind laut und deutlich. Nur im Zusammenschluss eines signifikanten Anteils der Industrie können die bekannten Probleme gelöst werden. Oder durch neue Gesetzgebung.
Es ist Zeit zu handeln!



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